Einblicke in das neue digitale Ausstellungsportal der Forschungsbibliothek Gotha

/ Juli 7, 2021

Auf Twitter, Instagram oder auch Netflix – Ausstellungen haben sich längst auf diese Plattformen ausgeweitet. Für digitale Live-Führungen, partizipative Aktionen, interaktive Formate wie Twitter Parcours oder Insta-Walks. Die Corona-Pandemie ist geradezu ein Katalysator digitaler Formate geworden, um Besucherinnen und Besucher digital zu erreichen. Die Aufbruchstimmung war vor allem im letzten Jahr groß, es wurde viel improvisiert und experimentiert.

Dies gilt auch für digitale Ausstellungen. Dabei sind sie als ein Mediumformat, da sich seit den 1990er Jahren herausgebildet hat, nach wie vor im Fluss. Es gibt vielfältige Begriffsbestimmungen, die Standards bilden sich erst heraus und wissenschaftlich-methodische Reflexionen zum Feld stehen erst am Anfang. Doch schon vor dem pandemiebedingten Boom konnten sammlungshaltende und wissenschaftliche Einrichtungen auf Plattformen z.B. der Deutschen Digitalen Bibliothek, Europeana oder Google Arts & Culture ihre Ausstellungen zeigen. Die Plattformen spiegeln die Tendenz zu generischen Infrastrukturen für digitale Ausstellungen wider – gegenüber institutionellen Eigenentwicklungen und Insellösungen. Dies gilt auch für das Ausstellungsportal der Forschungsbibliothek Gotha, das im Mai 2021 online gegangen ist.

Abb. 1: Startseite des Ausstellungsportals, CC BY-SA 4.0.

Der Aufbau war Teil des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Ausbaus der Forschungsbibliothek Gotha zur Forschungs- und Studienstätte für die Kulturgeschichte des Protestantismus in der Frühen Neuzeit. Entwickelt wurde es zusammen mit den langjährigen Kooperationspartnern der Bibliothek, der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena sowie der Jenaer Agentur für Informationsästhetik JustOrange. Pilotprojekt für das Ausstellungsportal ist die digitale Ausstellung Hilaria evangelica. Das Reformationsjubiläum von 1717 in Europa. Die von Dr. Daniel Gehrt kuratierte Ausstellung widmet sich einer vom Gelehrten und renommierten lutherischen Kirchenhistoriker Ernst Salomon Cyprian (1673–1745) im Auftrag des Herzoghauses Sachsen-Gotha-Altenburg zusammengestellten monumentalen Dokumentation der Feierlichkeiten, die in den protestantischen Territorien innerhalb und außerhalb des Alten Reiches rund um das 200. Reformationsjubiläum 1717 stattfanden.

Abb. 2: Teaser für eine der Sektionen in „Hilaria evangelica“, CC BY-SA 4.0.

Das Portal ist Bestandteil der sammlungsbezogenen Forschung an der Bibliothek. Sie umfasst strategisch aufeinander aufbauende und zum Teil ineinandergreifende Handlungsfelder von der Erschließung und begleitenden Restaurierung des Quellenmaterials, der forschungsgeleiteten Digitalisierung, dem Transfer in die Forschung durch Tagungen und Publikationen, der internationalen Vernetzung durch Kooperationen und der Initiierung von Forschungs- und Editionsprojekten bis hin zur Präsentation der historischen Quellen und Sammlungen im digitalen und physischen Raum. Im Fokus dieser Strategie liegen neben der Umsetzung des Digitalisierungsprogramms die Konzeption und Realisierung medienintegraler Präsentationen der historischen Bestände in der Digitalen historischen Bibliothek Erfurt/Gotha und deren Kontextualisierung etwa in sammlungs- und themenspezifischen Portalen oder neu kuratierten digitalen Ausstellungen.

Beim Aufbau des Gothaer Ausstellungsportals haben sich die Projektbeteiligten an der weiten Definition der Working Group zu Online-Ausstellungen orientiert, die Teil des EU-Projekts „AthenaPlus“ war. Danach basieren digitale Ausstellungen auf einem klaren Konzept, sind kuratiert und verbinden verschiedene digitale Medien mit Nutzerinteraktion, um Themen innovativ zu vermitteln1„A Digital Exhibition is based on a clear concept and is well curated. It assembles, interlinks and disseminates digital multimedia objects in order to deliver innovative presentations of a theme, or series of themes, allowing user interaction to a great extent.“ https://www.digitalexhibitions.org/?lan=en&q=References/Definition (letzter Zugriff: 07.07.2021).. In die Entwicklung des Ausstellungsportals wurden zudem die aktuellen Debatten aus dem GLAM-Bereich und den Fachwissenschaften zu digitalen Ausstellungen eingebunden. Viele Anregungen aus den projektbegleitenden, transdiszplinären Tagungen, der Kooperationspartner sowie Überlegungen aus der Benutzerforschung sind in das Portal eingeflossen bzw. werden noch einfließen.2Vgl. Hendrikje Carius: Virtuelle Ausstellungen. Konzepte, Praxis und Perspektiven. Bericht zu einer Tagungs- und Workshopreihe, in: Hendrikje Carius, Martin Prell, René Smolarski (Hrsg.): Kooperationen in den digitalen Geisteswissenschaften gestalten. Herausforderungen, Erfahrungen und Perspektiven. Göttingen 2020, S. 171–175.

Eine wichtige Rolle spielen die FAIR Data Prinzipien (Auffindbarkeit, Zugänglichkeit, Interoperabilität und Nachnutzbarkeit) für die Datenhaltung und Infrastrukturen. Das ist letztlich auch eine Grundlage dafür, dass sich das Portal technisch in die Systemarchitektur der Universal Multimedia Electronic Library einfügen kann. Das ist die zentrale Zugangsplattform für multimediale Angebote der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena, wo das Portal auch gehostet wird.

Das Portal zielt insgesamt auf eine stärkere Sichtbarkeit und Zugänglichkeit der digitalen Ausstellungen ab, aber auch auf die Dokumentation physischer Ausstellungen. Es geht darum, neue digitale Vermittlungsmöglichkeiten zu erschließen, die Reichweite digitaler Sammlungen zu vergrößern und neue Forschungsimpulse setzen. Zielgruppen sind digitale Flaneure, Besucherinnen und Besucher, die gezielt Informationen ansteuern – etwa zur Vor- oder Nachbereitung von Ausstellungsbesuchen, zum E-Learning oder im Rahmen eigener Forschungen. Konkret kann das Portal in Schülerseminaren oder bei der universitären Lehre in der Bibliothek genutzt werden, zum Beispiel im Masterstudiengang „Sammlungsbezogene Wissens- und Kulturgeschichte der Universität Erfurt“. Die Schülerinnen und Schüler sowie Studierende können dabei nicht nur Ausstellungen besuchen, sondern auch selbst gestalten.

Die mehrstufigen Präsentations- und Informationsebenen richten sich an einer heterogenen Zielgruppe aus (interessierte Laien, Schülerinnen und Schüler, Studierende und Experten). Zugleich soll die weitere Forschung mit den Objekten möglich sein: Zooming in die hochauflösenden Digitalobjekte sowie Download-Funktionen. Um ein internationales Publikum zu erreichen, sollen die Ausstellungen auch mehrsprachig angelegt werden. Zum Mehrwert digitaler Ausstellungen gehören Datenanreicherungen und -vernetzung. In diesem Sinne können auch im Ausstellungsportal Zusatz- bzw. Kontextinformationen eingebunden werden.

Abb. 3: Beispiel für die erste Präsentations- und Informationsebene innerhalb der Sektionen, CC BY-SA 4.0.

Abb. 4: Beispiel für eine weiterführende Informationsebene, CC BY-SA 4.0.

Das Portal ist ein generisches, nachnutzbares Angebot. Es basiert auf dem Content-Management-System Typo3. Für künftige Ausstellungen, die das Portal nutzen, ist im Prinzip keine Programmierung oder Webdesign nötig. Auch wenn die templatebasierte Infrastruktur einen gewissen Rahmen bei den Gestaltungsmöglichkeiten setzt: Das Portal möchte eine Grundlage für innovative Ausstellungen legen, um die Potenziale des digitalen Mediums ausschöpfen und einen gewissen Erlebnischarakter ermöglichen zu können. Spielräume, die das Ausstellungsnarrativ unterstützen, gibt es durch variierbare gestalterische Elemente wie Templates oder Farbschemata. Attraktion und eine gewisse Erlebnisqualität kann außerdem durch ein gut überlegtes Kommunikationskonzept erreicht werden. Dazu gehören multimediale Begleitformate wie zum Beispiel Kuratoren- bzw. Making-Off-Videos, Ausstellungstrailer und Führungen, partizipative und interaktive Aktionen über soziale Medien.

Besonderer Mehrwert des Ausstellungsportals sind die Schnittstellen zu den weiteren Portalen der Bibliothek sowie dem Portalspektrum der ThULB Jena. Das sind derzeit zum Beispiel das Editionenportal, das sammlungsspezifische Portal Perthes digital sowie das im Aufbau befindliche Gotha-Portal. Dadurch sind zusätzliche semantische Vernetzungen möglich. Außerdem können Entwicklungen aus anderen Portalen nachgenutzt werden. Dies ist auch einer der Vorteile, die mit der geplanten Integration des Portals in das Kultur- und Wissensportal Thüringens (Kulthura) verbunden sind – abgesehen von den Vernetzungen über Themen und Institutionen hinaus.

Physische und digitale Ansätze werden immer stärker als hybride Angebote miteinander verzahnt. Auch hierfür ist das Portal ausgelegt. Geht es darum, bei physischen Ausstellungen einen Mediaguide einzusetzen, kann das Ausstellungsportal als Redaktionssystem genutzt werden. Der Mediaguide ermöglicht es, die Ausstellung als geführte Tour (Thementour) oder mit freier Themen- bzw. Objektauswahl zu besichtigen. Dabei ist beim Mediaguide für physische Ausstellungen eine Verknüpfung der Vitrinen mit den Objekten über eine interaktive Karte möglich.

Das Ausstellungsportal wird als Modul von Kulthura infrastrukturell und institutionell fest verankert. Das ist eine optimale Voraussetzung dafür, um die Ausstellungen dauerhaft zugänglich zu halten. Es ist auch eine Grundlage für die Weiterentwicklung des Portals – nach Bedarfen der Ausstellungsprojekte, um neue expositorische Ansätze aufzugreifen, spezifische Vermittlungsziele zu ermöglichen oder auch neue ästhetisch-gestalterischen Tendenzen umzusetzen. Einige Weiterentwicklungen sind bereits in Planung, es geht vor alle um Nachnutzung (Download, Schnittstellen), Vernetzung (Anzeige themenverwandter Objekte) und Interaktion. Zusätzliche Kontextualisierungen sollen mit dem International Image Interoperability Framework (IIIF) ermöglicht werden, einem Standard für interoperable Repositorien. Damit können digitalisierte, bildbasierte Objekte aus verschiedenen Institutionen flexibel, dynamisch zusammengeführt und annotiert werden. Das bietet interessante Möglichkeiten für Kuratorinnen, Kuratoren, aber auch bei partizipaten Formaten für die Besuchenden. Die Ergebnisse laufender User- und Visitor-Experience-Tests fließen in künftige Weiterentwicklungen ein.

Verfasserin: Dr. Hendrikje Carius (Leiterin der Abteilung Benutzung und Digitale Bibliothek), 29. Juni 2021.

 

Weitere Informationen

Das Portal wurde erstmals im „Gothaer Bibliotheksgespräch“ am 5. Mai 2021 vorgestellt. Im Wortmelder der Universität Erfurt wurden Dr. Hendrikje Carius und Dr. Daniel Gehrt zum Portal und zur ersten Ausstellung befragt. Sie können das Gespräch hier nachlesen.

Aus den projektbegleitenden Tagungen (2017, 2018) geht eine gemeinsam mit Prof. Dr. Guido Fackler (Universität Würzburg) herausgegebene Publikation zur digitalen Ausstellungskuratierung hervor. Sie wird Ende 2021 erscheinen. Dort wird auch das Portal „Digitale Ausstellungen Gotha“ ausführlicher vorgestellt.

Link zum Ausstellungsportal: http://digital-fb-gotha.de/ausstellungen

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