Gothas reiche Sammlung an Theuerdank-Drucken

/ Juni 11, 2019

Die Forschungsbibliothek Gotha besitzt eine herausragende Sammlung an Theuerdank-Drucken des 16. und 17. Jahrhunderts. Von den insgesamt zwölf Auflagen dieses Werkes aus dem genannten Zeitraum zählen sechs zu ihrem Bestand, und zwar aus den Jahren 1517, 1519, 1553, 1563, 1679 und um 1680. Der 500. Todestag des Verfassers dieses Versepos, des römisch-deutschen Kaisers Maximilian I. am 22. Januar 1519, bietet Gelegenheit, einige dieser Drucke hier näher vorzustellen.

Leider lassen sich über die Provenienzen der einzelnen Exemplare nur vereinzelt Aussagen treffen, auch Lesespuren sind nicht vorhanden. Die wertvollste Ausgabe ist ohne Zweifel der Erstdruck aus dem Jahre 1517 auf Pergament, der in einer Auflage von nur 40 Stück (neben 300 weiteren Exemplaren auf Papier) mit einer eigens entwickelten Schrifttype bei Johann Schönsperger d.Ä. (1455–1521) in Nürnberg erschienen ist. Im VD16 werden heute für Deutschland insgesamt 14 Exemplare nachgewiesen. Der Gothaer Druck ist noch mit dem Originaleinband auf Holzdeckeln aus dem Jahre 1517 versehen. Er stammt aus altem Ernestinerbesitz in Wittenberg. Es wird vermutet, dass es sich um ein Nachlassgeschenk des Kaisers Maximilian an den Kurfürsten Friedrich III. von Sachsen (1463–1525), gen. der Weise, handelte, mit dem ihm eine lange Freundschaft verbunden hatte. Die gedruckten Exemplare wurden erst nach dem Tod des Kaisers als Erinnerungsgeschenk verteilt. Wann der Druck in den Bestand der Forschungsbibliothek Gotha gekommen ist, lässt sich nicht mehr feststellen. Vielleicht gehört er zum Grundstock der Bibliothek, die Herzog Ernst I. (1601–1675), gen. der Fromme, mit der Begründung des Herzogtums Sachsen-Gotha aus der Weimarer Erbmasse mit nach Gotha brachte.

[Abb. 1: Theuerdank steht auf 14 Schwertern, die in Form eines Rads angeordnet sind, als Bezwinger des Glücksrads der Fortuna. FB Gotha, Mon.typ 1517 2° 17, Holzschnitt 118.]

Der Zweitdruck aus dem Jahre 1519 ebenfalls aus der Druckerei Schönsperger liegt in Gotha in einer prachtvoll kolorierten Ausgabe vor. Der Ledereinband ist allerdings schlicht gehalten und stammt vermutlich aus späterer Zeit. Für Deutschland lassen sich insgesamt acht Exemplare im VD16 nachweisen.

Während die Gothaer Ausgabe des Theuerdank von 1553 (vierte Auflage, erschienen bei Christian Egenolff (1502–1555) in Frankfurt/Main) noch einen prachtvollen Holzdeckeleinband mit Blindprägung trägt, der allerdings Heilige der katholischen Kirche darstellt, ist das Exemplar der fünften Auflage von 1563 mit einem marmorierten Halbledereinband aus späterer Zeit versehen. Der Band trägt mehrere Stempel des Gymnasium Ernestinum, stammt also aus der ehemaligen Schulbibliothek des Gymnasiums, das 1859 aus der Vereinigung des älteren Gymnasium Illustre und des Herzoglichem Realgymnasium hervorgegangen ist. Wann der Band dort in den Bestand kam und ob er sich zuvor vielleicht im Besitz des Gymnasium Illustre befand, lässt sich nicht mehr feststellen. Im VD16 sind von der Auflage 1553 sieben und von der Auflage 1563 11 Exemplare für Deutschland nachgewiesen. Ein weiterer Druck, der ohne Angabe des Druckjahrs (vermutlich um 1680) in Augsburg bei Matthäus Schultes (vor 1652–nach 1679) sowie in Ulm bei Daniel Görlin erschienen ist, trägt einen Ledereinband mit dem goldgeprägten Aufdruck „F.H.Z.S. 1690.“ sowie einer Initiale und Wappen und stammt aus der Privatbibliothek des Herzogs Friedrich I. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1646–1691).

[Abb. 2: Theuerdank und Ehrenhold werden von Hauptmann Fürwittig am Stadttor erwartet. FB Gotha, Hist 2° 1142/1, Holzschnitt 12.]

Der nächste Theuerdank-Druck im Bestand der Forschungsbibliothek Gotha stammt dann erst auf dem 19. Jahrhundert. Er verdeutlicht, dass die Zeit der heldenhaften Ritterromane schon längst vergangen war.

Der Theuerdank ist ein Versepos, in dem im allegorischer Form die Brautfahrt Maximilians zu Maria von Burgund erzählt wird. Der Ritter Theuerdank hat dabei zahlreiche Abenteuer zu bestehen, in die er durch Männer mit den sprechenden Namen Fürwittig (Übermut), Unfalo (Unfall) und Neidelhart (Neid) hineingezogen wird. Die Episoden sind jeweils mit einem großformatigen Holzschnitt (insgesamt 118 Stück) illustriert.

Sascha Salatowsky
Wiss. Ref., FB Gotha

Bibliographie

Die geverlicheiten und einsteils der geschichten des loblichen streytparen und hochberumbten helds und Ritters herr Tewrdannckhs. Nürnberg: Schönsperger, 1517. VD16 M 1649. FB Gotha, Mon.typ 1517 2° 17.

Weitere Auflagen in der FB Gotha unter teilweise veränderten Titeln:
Augsburg: Schönsperger, 1519. VD16 M 1651. FB Gotha, Hist. 2° 1142/1.
Frankfurt/Main: Egenolff, 1553. FB Gotha, Hist 4° 1142/2 (1).
Frankfurt/Main: Egenolff, 1563. FB Gotha, Poes 4° 2736/3.
Ulm: Matthäus Schultes, 1679. FB Gotha, Hist 4° 1142/3.
Augsburg: Matthäus Schultes, und Ulm: Daniel Görlin, ohne Jahresangabe. FB Gotha, Poes 4° 2736/4.

Moderne Ausgabe:
Kaiser Maximilian I. Die Abenteuer des Ritters Theuerdank. Kolorierter Nachdruck der Gesamtausgabe von 1517. Köln u.a. 2003.

Forschungsliteratur:
Stephan Füssel: Kaiser Maximilian und die Medien seiner Zeit. Der Theuerdank von 1517. Köln u.a. 2003.
Helmut Roob: Aus den Schätzen der Gothaer Bibliothek: Der Theuerdank. Sonderdruck aus: Der Friedenstein. April 1957.

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