Kindergeschenke zum Nikolaus- und Christtag

/ Dezember 5, 2025

Zwei mitteldeutsche Beispiele aus der Frühen Neuzeit

Abb. 1: Lucas Cranach d.J.: Gemälde von Kurfürstin Anna von Sachsen, [nach 1565].

Das Weihnachtsfest, wie wir es heute kennen, hat seine Wurzeln in der bürgerlichen Welt des 19. Jahrhunderts. Der Brauch, Kinders an diesem Hochfest zu beschenken – der Gabentausch unter Erwachsenen fand traditionell am Neujahrstag statt –, begann jedoch schon vor 500 Jahren mit dem entstehenden Luthertum.1Vgl. Kohler 1959, S. 71f. Der reformatorischen Theologie Martin Luthers (1483–1546) entsprechend sollte der Fokus der Gläubigen vollends auf Christus und sein Erlösungswerk gerichtet werden und nicht etwa auch auf die Heiligen. Der Gedenktag des kleinasiatischen Bischofs Nikolaus von Myra am 6. Dezember war längst mit der Vergabe von Almosen und Geschenken verbunden gewesen. Dieser Brauch, der große Freude bereitete, sollte nunmehr auch auf den 25. Dezember übertragen werden, um den Christtag in gleicher Weise auszuzeichnen. Die Beziehung des frühen Luthertums zu den Heiligen blieb jedoch in mehreren Bereichen ambivalent (siehe Blog), so dass die Tradition des Schenkens am 6. Dezember auch in protestantischen Gebieten weiterhin Bestand hatte.

Was bekamen Kinder zum Nikolaus- und Christtag in der Frühen Neuzeit? Über solche Aspekte des Familienlebens ist grundsätzlich wenig bekannt. Vereinzelte Details sind jedoch überliefert, wie zum Beispiel bei der dänischen Königstochter Anna (1532–1585; Abb. 1), die 1548 den kursächsischen Prinzen August (1526–1586) heiratete und mit ihm 15 Kinder hatte. Sie war als Mutter für die Weihnachtsgeschenke zuständig.2Vgl. Weber 1865, S. 20f. 1565 besorgte sie für ihren fünfjährigen Sohn Christian (1560–1591) Reiter und Pferde als Spielfiguren sowie eine Rüstung, während sich ihre Töchter Marie (1562–1566) und Dorothea (1563–1587) über englische Hündchen freuen konnten. Sechs Jahre später ließ sie meißnische Tracht mit gefalteten Röcken in Damast und Seidenatlas für die Puppen anfertigen. Zu Weihnachten 1573 konnte Christian mit 75 bemalten Holzfiguren, darunter Pferden, Hunden und Hirschen, unter anderem die Jagd nachspielen. Die Prinzessinnen Dorothea und Anna (1567–1613) hingegen erhielten eine vollständige Kücheneinrichtung mit allen erdenklichen Utensilien für die Puppenstube, Konfekt, Schreibzeug und Gebetsbücher mit Einbänden aus Samt.

Abb. 2: Kolorierter Kupferstich von Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha, 1670.

Zwei Blätter in einer Handschrift der Forschungsbibliothek Gotha geben detailliert wieder, welche Geschenke die Kinder Ernsts (1601–1675; Abb. 2) und Elisabeth Sophias (1619–1680) von Sachsen-Gotha 1663 zum Nikolaus- und Christtag erhalten sollten.3FB Gotha, Chart. A 1354, Bl. 9r–10v. Das lutherische Fürstenpaar hatte damals zwei Töchter und sieben Söhne. Alle Namen finden sich auf den beiden vorangehenden Blättern, auf denen Ernst das Taschengeld4In der Handschrift als „Handgeld“ bezeichnet. für alle festlegte.5FB Gotha, Chart. A 1354, Bl. 7r–8v. Dessen Umfang wurde nach Alter abgestuft. Die vier Kinder zwischen fünf und zehn Jahren – Johann Ernst (1658–1729), Ernst (1655–1715), Dorothea Maria (1654–1682) und Christian (1653–1707) – erhielten quartalweise im Jahr einen Gulden (fl) und drei Groschen (g). Für die älteren Kinder wurde diese Grundeinheit entsprechend erhöht. Der 13-jährige Heinrich (1650–1710) erhielt 3 fl 9 g, Bernhard (1649–1706) und Albrecht (1648–1699), 14 bzw. 15 Jahre alt, bekamen 4 fl 12 g und der 17jährige Friedrich (1646–1691) 6 fl 18 g. Der ältesten Schwester Elisabeth Dorothea (1640–1709), bereits 23 Jahre alt, aber noch unverheiratet, standen 10 Gulden zur Verfügung. Um den Wert dieser Beträge in Relation zu setzen, seien hier zwei Beispiele angeführt: Herzog Ernst ließ einem Adelssohn 1662 ein Stipendium von 30 Gulden für ein Jahr zukommen, damit er sich am Gothaer Gymnasium für das Studium an einer Universität vorbereiten konnte,6Wolfgang Christoph Bolle von Borschittau (*1641). Vgl. Brief von Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha an Veit Ludwig von Seckendorff und Johann Breithaupt, [Gotha], 13. Januar 1662, in: LATh – STA Gotha, Kammer Gotha Insgemein Nr. 729, Bl. 3r–v, 4br–v. seinem Oberförster ließ er 1663 eine Jahresbesoldung von 100 Gulden auszahlen.7Lorenz Cramer (1626–1695). Vgl. Brief von Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha an Veit Ludwig von Seckendorff und Johann Breithaupt, [Gotha], 27. August 1663, in: LATh – STA Gotha, Kammer Gotha Insgemein Nr. 1532, Bl. 22r–22av.

Dies ist die gesamte Liste der Geschenke, die die Söhne zum Nikolaus- und Christtag bekommen sollten (Abb. 3):

Abb. 3: Geschenke für die Prinzen auf Schloss Friedenstein, [1663].

[Bl. 9r]

Was bey Meines gnädigsten Herrns Durchl.8Herzog Ernst von Sachsen-Gotha
zu der Fürstl. Jungen Herrn notturfft Jhr
durchl. die Hertzogin9Herzogin Elisabeth Sophia von Sachsen-Gotha bey gelegenheit
des bevorstehenden Nicolas und H.
Christs zuerinnern über sich
genommen.

Herrn Friederichen
Eine kleine Bibel auf den reisen zugebrauchen.
Ein exemplar von dem Teutzschen Fürsten staat10Veit Ludwig von Seckendorff: Teutscher Fürsten Stat …, Frankfurt am Main 1656 (VD17 3:303655E).
Ein teppicht über ein klein täfelein in sei-
nem cabinet, dazu gehöret grü-
ner rasch, di (?) Ellen a11Es fehlt eventuell hier etwas.
Ein dintenfaß von blech.
12. Ellen schwartz band zu vnterschiedlichem ge-
brauch.
Ein helffen beinen kamm.12Elfenbeinkamm

Herr Albrechten
Eine Bibel von größerm druck, wie er seine
nicht wohl gebrauchen kan, vnd könte
seine ietzige Herr Christianen gegeben worden,
weil er keine hat.
Das Nürnbergische Handbuch.13Dominikus Beer: Nürnbergisches Geist- und Lehrreiches neu vermehrtes Hand-Buch …, Nürnberg 1663 (VD17 23:685422T)
12. Ellen schwartz band.

H. Bernhardten
[Durchgestrichenes]

[Bl. 9v]

Eine Frantzösische Grammatica.
Eine Kehrbürste.
12. Ellen schwarz band.

H. Heinrichen
Ein silbern Suppenschälgen.
Silbern trinckbecher.
Ein tischteppicht.
Ein bar schwartze strümpff
Ein Paar Pantoffel
Ein engen vnd weiten Kamm.
8. Elen schwartz band.
Eine Frantzösische Grammatica.
Ein Autor.14ein klassisches BuchH. Christianen
Ein silbern Suppenschälgen.
Ein Lateinischer Autor.15ein klassisches Buch in Latein
8. Elen schwartz band.
Ein Paar schwartze strümpffe.
Ein Enger vnd weiter kamm.

H. Ernst
Ein silberner tischbecher.
Ein Paar schwartze strümpffe.

[Bl. 10r]

[Durchgestrichenes]
Ein Enger vnd weiter kamm.
Ein tischteppicht.
Acht Ellen schwartz band.

H. Johann Ernsten
Zwey silberne tischbecherlein.
Vorhänge vmb das bette.
Ein tischteppicht.
Zwey kämme.
Eine kehrbürste.
Ein großer Schranck zu seinem Zeug.
Ein Paar schwartze strümpff.
Acht Ellen schwartz band.

Im Vergleich zur kursächsischen Überlieferung kommen im Gothaer Beispiel hundert Jahre später auffälligerweise weder Spielzeug noch Naschwerk vor. Laut der Überschrift handelte es sich aber um Sachen, die die einzelnen Kinder benötigten („zu der Fürstl. Jungen Herrn notturfft“). Die beiden Prinzessinnen wurden in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt. Eventuell oblag es allein der Mutter zu entscheiden, was sie brauchten. Interessant ist auch, dass in der Auflistung zwischen Nikolaus- und Christtag nicht unterschieden wird. Es war offenbar von wenig Belang, wann genau welche Geschenke den Kindern in dieser Bescherungszeit überreicht wurden.

An prominenter Stelle auf der Geschenkliste standen Bücher, sei es für die praktische Regierungskunst, die spirituelle und moralische Erbauung oder die sprachliche und literarische Bildung. Der 17-jährige Friedrich sollte neben einer Bibel im Kleinformat für Reisen auch ein Exemplar des „Teutschen Fürstenstaats“ erhalten, den der Gothaer Rat Veit Ludwig von Seckendorff (1626–1692) 1656 als Handbuch für Regenten publiziert hatte. Für den 15-jährigen Albrecht war eine neue Bibel mit großgedruckten Buchstaben vorgesehen, da er offenbar Schwierigkeiten hatte, die kleine Schrift seiner aktuellen Bibel zu lesen. So sollte der fünf Jahre jüngere Bruder Christian diese Bibel bekommen, da er noch keine besaß. Zudem sollte Albrecht mit einem Exemplar des sogenannten „Nürnbergischen Handbuchs“, eines mit Kupferstichen reich illustrierten Erbauungsbuchs des lutherischen Theologen Dominikus Beer (1598–1663), beschenkt werden. Bernhard und Heinrich erhielten französische Grammatiken, Heinrich und Christian jeweils ein Buch von einem klassischen Autor.

Die übrigen Geschenke waren alltägliche Gegenstände von praktischem Nutzen. Während Friedrich sich über einen edlen Kamm aus Elfenbein freuen konnte, erhielten die vier jüngsten Brüder jeweils zwei Kämme, einen mit breiterer Zahnung und einen anderen mit feinerer Zahnung, für die Haarpflege. Einige der jüngeren Prinzen brauchten schwarze Strümpfe, Suppenschälchen und Trinkbecher, aber offenbar nur Heinrich Pantoffel und der fünfjährige Johann Ernst Vorhänge für sein Bett und einen großen Schrank für sein Zeug. Zudem fehlten einigen Söhnen Tischteppiche und Kehrbürsten. Das einzige Geschenk, das alle Söhne gleichermaßen bekommen sollten, war schwarzes Band, das für verschiedene Zwecke verwendet werden konnte.

Ob unter den Kindergeschenken im Dezember 1663 auf Schloss Friedenstein auch Spielzeug oder die Erfüllung eines persönlichen Wunsches dabei war, bleibt offen.

Daniel Gehrt

Daniel Gehrt ist Historiker und Wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Erschließung frühneuzeitlicher Handschriften an der Forschungsbibliothek Gotha.

Online-Ressource

  • Erschließungsergebnisse der hier erwähnten Gothaer Handschriften im Verbundkatalog Kalliope: https://kalliope-verbund.info (letzter Zugriff: 02.12.2025).

Literatur

  • Erika Kohler: Martin Luther und der Festbrauch. Köln/Graz 1959.
  • Karl von Weber: Anna, Churfürstin zu Sachsen, geboren aus Königlichem Stamm zu Dänemark. Ein Lebens- und Sittenbild aus dem sechszehnten Jahrhundert … Leipzig 1865.

Abbildungsnachweis

  1. Schloss Ambras, GG 3141 (CC0).
  2. Biblia …, Nürnberg 1670 (VD17 3:006813F). FB Gotha, Theol 2° 27/9, Bl. 10r.
  3. FB Gotha, Chart. A 1354, Bl. 9r.

Abb. auf der Übersichtsseite: Aleska Petrov: Ikone des hl. Nikolaus, 1294. St.-Nikolaus-Kirche in Novgorod (CC0).

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