Mitarbeiter entdecken verschollene Globenskizzen von Adolf Stieler
Ein Umzug bietet häufig nicht nur die Chance, beim Packen und Sortieren Ordnung und Platz für Neues zu schaffen. Oft wird auch das ein oder andere Lieblingsstück aus vergangenen Zeiten wiederentdeckt. So ging es auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt in diesem Jahr. Im Zuge der Vorbereitung des Rückzuges der Sammlung Perthes vom vorübergehenden Erfurter Außendepot in das neue PERTHESFORUM Gotha konnten sie umfassende Konservierungs- und Verpackungsmaßnahmen in Angriff nehmen – auch für den DDR-Bestand der Sammlung. Dabei fiel ihnen zwischen den Überlieferungen des VEB Hermann Haack eine unscheinbare Mappe in die Hände. Bunt gemischt lagen darin Fotos, Mitschriften, Zeichnungen – ganz verschiedene Materialien zu unterschiedlichen Themen und aus unterschiedlichen Zeiten. Dazwischen ein kleines Konvolut von sechs Blättern, die unvollendete Skizzen eines Globus zeigen: Auf einem in Kugelprojektion angelegten Gitternetz umreißen schwarze und rotbraune Tuschestriche einzelne Länder und Inseln, zarte hellblaue Aquarellschattierungen deuten Seen und Meere an, lindgrüne und hellgraue Markierungen zeigen Höhenunterschiede der Landschaften. Die unvollständigen Markierungen und zum Teil korrigierten Städte- und Länderbenennungen weisen darauf hin, dass es sich hier nicht um fertige Zeichnungen handelt, sondern um Arbeitsentwürfe. Können das vielleicht Adolf Stielers Globenskizzen sein, die Werner Horn, bis 1968 Mitarbeiter des VEB Hermann Haack und Schriftleiter von Petermanns Geographischen Mitteilungen, 1963 der Zeitschrift „Der Globusfreund“ so ausführlich beschrieb, die seitdem jedoch verschollen waren? Nach einer genauen Begutachtung und dem Vergleich mit dem von Horn beschriebenen Globenentwurf wurde rasch klar, dass man ein lang verschollenes Stück Verlagsgeschichte wiederentdeckt hatte.
Um 1830, das legt die Datierung einer der sechs Skizzen nahe, hatte Stieler höchstwahrscheinlich für den Perthes Verlag das Projekt eines Globus entwickelt. Dieser hätte das kartographische Programm des Verlages, das sich in diesem Zeitraum breit auffächerte, um ein zentrales Produkt erweitert.
Warum das Vorhaben nicht weiter verfolgt wurde, ist eine Frage, die die Forschung in den nächsten Jahren zu klären hat. Mit dem Fund der Skizzen sind dafür wichtige Voraussetzungen geschaffen. Wissenschaft und Öffentlichkeit haben zudem in den nächsten Wochen Gelegenheit, ein Faksimile von Stielers Globusentwurf näher zu betrachten, das zusammen mit zahlreichen weiteren Zeugnissen zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des Stieler Hand-Atlasses im Spiegelsaal der Forschungsbibliothek im Rahmen der Ausstellung „Die Welt in der Hand – 12 Kapitel aus der Geschichte des Stieler Hand-Atlas“ zu den nunmehr 6. Gothaer Kartenwochen präsentiert wird.