Das Faultier in Caspar Schmalkaldens Bericht über die Reise von Amsterdam nach Pharnambuco in Brasil

/ April 14, 2022

Abb. 1 Caspar Schmalkalden: Reise von Amsterdam nach Pharnambuco in Brasil: Ein Brasilianer. FBG, Chart. B 533, Bl. 11r.

Caspar Schmalkalden (1616–1673) aus Friedrichroda im Herzogtum Sachsen-Weimar bereiste als Soldat in niederländischen Diensten zwischen 1642 bis 1652 Südamerika und Ostindien. 1643 nahm er an einer Expedition nach Chile teil. Außerdem ging er nach Batavia (Jakarta), dem Zentrum des niederländischen Kolonialreiches in Ostindien. 1647 lernte er den Norden Sumatras kennen. Von 1648 bis 1650 wurde er auf dem Stützpunkt Zeelandia (Taiwan) als Landvermesser eingesetzt. Schmalkalden kehrte vermögend zurück und lebte fortan in Gotha. Von seinen Reisen brachte er exotische Souvenirs mit, die er teilweise Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha (1601–1675) für dessen Kunstkammer überließ. Beim Herzog war Schmalkalden – auch auf Empfehlung des Gothaer Schuldirektors Andreas Reyher (1601–1673) – als Kanzlist angestellt.

Abb. 2 Caspar Schmalkalden: Reise von Amsterdam nach Pharnambuco in Brasil: Ein Tapuyer. FBG, Chart. B 533, Bl. 18r.

Caspar Schmalkalden verfasste einen umfangreichen Bericht über seine Reisen und führte in die lokale Bevölkerung, Tier- und Pflanzenwelt sowie wichtige Begriffe der Landessprache ein. Darin charakterisierte er die Brasilianer als wild (Abb. 1), die Chinesen als von Leib und Gliedern wohl proportionierte Leute, die Formosaner als einfältig und träge, die Tapuyer als Menschenfresser (Abb. 2). Schmalkalden übernahm die Stereotype von den Brasilianern und den Tapuyern jedoch wörtlich aus der „Brasilianische(n) Geschichte“ von Casparus Barlaeus (Cleve 1656, lat. Erstausgabe 1647), der nie in Brasilien war. Ähnliches gilt für die Zeichnungen, für die sich Schmalkalden zum Teil entgegen seiner eigenen Anschauung vor Ort häufig an gedruckten Werken orientierte.1Dominik Collet, Die Welt in der Stube. Begegnungen mit Außereuropa in Kunstkammern der Frühen Neuzeit, Göttingen 2007, S. 122.

Der Bericht hat sich in drei Handschriften erhalten.2In der Forschungsbibliothek Gotha (Chart. B 533) sowie in der SUB Göttingen (HSD 8° Histor. 833) und der KB Kopenhagen (Thott. 1295 4°, illustriert). Die reich illustrierte Gothaer Handschrift gelangte vermutlich aus Familienbesitz zunächst durch Verkauf auf einer Gothaer Auktion in die Hände des Göttinger Naturforschers und Arztes Johann Friedrich Blumenbach (1752–1840), der ihn 1790 an Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1745–1804) verkaufte. Ernst II. schenkte die Handschrift der Herzoglichen Bibliothek; zu Beginn des Bandes hat sich ein entsprechender Schenkungsvermerk erhalten.

Abb. 3 Ein Faultier im Reisebericht von
Caspar Schmaldkalden. FBG, Chart. B 533, Bl. 109r.

Abb. 4 Ein Faultier im Reisebericht von
Caspar Schmaldkalden. FBG, Chart. B 533, Bl. 110r.

Auf Blatt 109r und 110r ist jeweils ein Faultier zu sehen (Abb. 3, 4), das Schmalkalden zufolge nicht nur mit starken Krallen ausgestattet ist, sondern alle sich ihm Nahenden mit kläglichen Gebärden anblickt und sechs Töne auf- und absteigend recht intoniere[t]. Schmalkalden griff hierfür sehr wahrscheinlich auf das enzyklopädische Werk „Musurgia universalis“ des Universalgelehrten und Jesuiten Athanasius Kircher3Herzlichen Dank für den Hinweis auf Athanasius Kirchers Faultier an PD Dr. Susanne Friedrich (Erfurt/München). zurück, der 1650 im ersten Band seines zehnbändigen Werkes, im Kapitel über die Natur der Töne und Stimmen, das Faultier und dessen Sangeskunst beschreibt (Abb. 5).

Abb. 5 Das Faultier in Athanasius Kirchners „Musurgia universalis“, Bd. 1, S. 27. FBG, Ilf V 2° 00243 [01].

Kircher weist bei seinen Ausführungen über die Stimmen der Tiere die Erfindung der Musik – wenn sie denn zuerst in Amerika erfunden worden wäre – dem Faultier zu: „Si musica in America primum inventa fuisset, certe a nullo alio, quam a mirifici huius animalis voce primordia sua traxisse dicerem“.4Athanasius Kircher, Musurgia universalis sive Ars magna consoni et dissoni. In X. Libros digesta, Bd. 1, Rom 1650, S. 26-27, dort auch das lateinische Zitat. Identisch sind der Notentext in beiden Werken, das Aussehen des Faultiers und einzelne Textelemente sind ähnlich.

Heutzutage hat das Faultier fast schon Konjunktur. Durch Animationsfilme wie „Ice Age“ und „Zoomania“ ist es zum Filmstar avanciert und auch das Gothaer Faultier ist recht beliebt. In der aktuellen Ausstellung gibt es ein Quiz mit einem Stoff-Faultier als Hauptpreis (Mitmachformulare in der Ausstellung, Verlosung am Ende des Ausstellungszeitraums), eine Hörstation mit den Tönen, die Schmalkalden bzw. Athanasius Kircher als arttypisch für das Faultier hielten. Außerdem können die bei Schmalkalden geschriebenen Noten auf dem Klavier im Ausstellungsraum nachvollzogen werden.

Monika E. Müller

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