„Quadratisch – praktisch – unbekannt“: Workshop zu steinernen Mustertäfelchen
Unter dem Titel „Quadratisch – praktisch – unbekannt. Geschnittene Steine in Kunst- und Naturalienkabinetten“ befasst sich vom 5. bis 7. September ein von der VolkswagenStiftung geförderter Workshop des Sammlungs- und Forschungsverbunds Gotha mit der Ästhetik, Materialität und Epistemologie eines mineralogisch-petrografischen Sammlungsgegenstands: der oft (ungenau) als „specimen marbles“ bezeichneten Mustertäfelchensammlungen des 18. und 19. Jahrhunderts. Die Veranstaltung wendet sich an Fachleute aus Geologie, Archäologie, Geschichtswissenschaft, Kunstgeschichte, Museologie und Informationswissenschaft sowie an kulturhistorisch Interessierte, die miteinander ins Gespräch kommen möchten.
In vielen naturkundlichen Sammlungen, deren Ursprünge in das 18. Jahrhundert zurückreichen, findet sich eine Objektgruppe, die mit den Begriffen Muster-, Marmor-, Achat- oder Gesteinstäfelchen nur unzureichend charakterisiert wird. Im englischen Sprachraum und in der Kunstgeschichte hat sich für diese Objekte der Begriff „specimen marbels“ etabliert, obwohl auch dies nicht treffend ist. Denn es sind nicht nur Marmore, sondern auch alle anderen Arten von farbigen Gesteinen und Mineralen, die damit bezeichnet werden. Den Objekten ist gemeinsam, dass sie in rechteckiger, meist quadratischer Form von wenigen Zentimetern Seitenlänge geschnitten und von einer Seite poliert sind. Sie besitzen damit eine eigene Ästhetik, in der sich die prinzipiell allen Sammlungen zugrundeliegende Verbindung von Gleichförmigkeit und Unterschiedlichkeit besonders eindrücklich zeigt.
Die Anfänge der Mustertäfelchen liegen im Steinschneidegewerbe Norditaliens, das sich auf eine bis in die Antike zurückreichende Tradition gründet. Zuerst standen die ökonomischen Interessen der Hersteller im Vordergrund, die sich mit der werbewirksamen Streuung kleinformatiger Muster größere Aufträge erhofften. Zugleich fungierten die handlichen Steinplättchen als beliebtes Souvenir europäischer Bildungsreisender, die sie auf ihrer Grand Tour erwarben und in ihre Sammlungen einfügten. Neben den Mustertäfelchen aus dem Mittelmeerraum finden sich seit Mitte des 18. Jahrhunderts ähnlich gearbeitete Suiten aus Werkstätten nördlich der Alpen, besonders aus Regionen mit eigenen Vorkommen von Halbedel- und Naturwerksteinen. So nahm die Verarbeitung von Achat, Jaspis, Amethyst und Bergkristall in der Umgebung von Idar-Oberstein ihren Anfang, die Steinschneidewerkstätten für Serpentin konzentrierten sich im erzgebirgischen Zöblitz, und die Herstellung von Objekten aus Buntmarmoren konzentrierte sich in Franken, Oberbayern und dem Salzburger Land. Die Liebhaber der Objekte sammelten diese nicht eigenhändig, sondern erwarben ein ästhetisch gefälliges, seriell gefertigtes Produkt, dem der wissenschaftliche Kommentar meist beigegeben war. Die Kommodifizierung wurde noch gesteigert, wenn eine Miniaturisierung der Gesteinstäfelchen erfolgte, um kunstvolle Einlegearbeiten zu schaffen, wie die Preziosen in Form von Tabatieren und Ringsteinkabinetten zeigen.
Der Workshop will eine Kontextualisierung dieser Objekte vornehmen und auf diese Weise deren einheitliche Ansprache interdisziplinär verankern. Darüber hinaus werden ihre digitale Verzeichnung und der Austausch zwischen Museumsdatenbanken und Netzportalen thematisiert. Der Eintritt zu den Vorträgen ist frei. Um Anmeldung bis zum 31. August 2018 unter der E-Mail: eckert@stiftung-friedenstein.de wird jedoch gebeten.
Ansprechpartner
Dipl.-Geol. Carsten Eckert
Tel.: +49(0)361/8234 331
E-Mail: eckert@stiftung-friedenstein.de
PD Dr. Julia A. Schmidt-Funke
Tel.: +49 (0)361/737-1601
E-Mail: julia.schmidt-funke@uni-erfurt.de
Bildnachweis (Beitragsbild): Mustertäfelchen des Museums der Natur Gotha. Foto Lutz Ebhardt. © Stiftung Schloss Friedenstein Gotha