Das Buch zum Film „Männerfreundschaften“ von Rosa von Praunheim
In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 17. Dezember 2018 wird in der Besprechung des Films „Männerfreundschaften“ von Rosa von Praunheim der Roman „Kyllenion. Ein Jahr in Arkadien“ erwähnt. Diesen Roman hat Herzog August Emil Leopold von Sachsen-Gotha-Altenburg (1772–1822) 1805 anonym veröffentlicht. Die Forschungsbibliothek Gotha besitzt drei Exemplare dieses Romans, darunter jenes, das aus der Privatbibliothek des Herzogs selbst stammt (Signatur: Poes 8° 2797/2). Keines der Exemplare besitzt Lesespuren, jedoch ist das Exemplar mit der Signatur Poes 8° 2797/4 aufwändig mit einem roten Einband aus Maroquinleder mit Goldschnitt gestaltet.
Der Roman ist der Tochter Karoline des Gothaer Verlegers Carl Wilhelm Ettinger (1741–1804) gewidmet, ihr Name ergibt sich aus dem dem Werke vorangesetzten Akrostichon. Laut Friedrich Jacobs, der seit 1810 Oberbibliothekar und Direktor des Münzkabinett auf dem Schloss Friedenstein in Gotha gewesen ist, verdankt das Buch seine Entstehung der jungen französischen Gräfin Adèle de Bueil, die Salomon Geßner’s „Idyllen“ (1756) sehr hoch schätzte. Dieser Einschätzung widersprach der Herzog und schrieb 12 Idyllen im griechischen Sinne und Gewande. Jacobs hielt freilich auch fest, dass die Zeit dem Werk nicht günstig war; es gab kaum Reaktionen. Immerhin hat der Göttinger Gelehrte Johann Friedrich Blumenbach (1751–1840) in einem Brief vom 17. Juni 1805 an Herzog August seine Begeisterung wie folgt zum Ausdruck gebracht: „Ich vermag es nicht auszudrücken mit welcher Ungedult ich der Ankunfft des Freyheits Büchleins und des Kyllenion bey uns entgegen gesehen habe und welche frohe Stunden mir beides – jedes für seine Art von Gefühlen – gemacht hat. Mein eignes Exemplar des leztern habe ich so eben wieder aus den Händen laßen müßen, wie Ew Durchlaucht aus der Beylage ersehen, und folglich ermeßen können, welche neue Wohlthat es für mich seyn würde, wenn Sie die Hoffnung, die Sie mir am Schluß Ihrer Gnädigen Zuschrifft machen, in Erfüllung bringen wollten.“ (Forschungsbibliothek Gotha, Chart. A 1291, Bl. 7r-8v (Briefe aus Möller’s Nachlaß))
Der Roman, den der Rezensent der FAZ, Bert Rebhandl, eine „Schäferidyllik“ nennt, die „deutliche Potentiale für eine queere Lektüre aufweist“, beginnt mit einer Anrufung des Eros, des zeugenden Gotts der Liebe und endet mit einer Anrufung des Anteros, des Gottes der Gegenliebe, der die verschmähte Liebe rächt. Beide sind in einer beigebundenen Lithographie (S. 121) nackt mit ihren Flügeln dargestellt. Die letzten Zeilen lassen für Deutungen der sexuellen Neigungen des Autors freien Raum: „Und wenn ich hier auch Männerherzen finde;/ So soll durch Dich das Bessern mir gelingen,/ Wenn mir’s an Zauber und Licht gebricht.“ (S. 120) Das erhoffte Arkadien zeigt der Kupferstich, der den Topos einer griechischen Landschaft der Antike aufnimmt, in deren Vordergrund die Statue eines Mannes steht, der mit den Attributen eines Schäfers versehen ist. Ein Stillleben aus Vasen, Obst und totem Vogel verweist auf das einfache Leben in Arkadien. Mit diesem Mythos verband sich im frühen 19. Jahrhundert die Vorstellung von einem Leben jenseits der gesellschaftlichen Zwänge, oftmals jedoch – wie bei Herzog August – mit keinen konkreten politischen Ideen verbunden. Die individuelle Freiheit galt nur für die Adligen selbst, nicht jedoch für die Untertanen, die sich ihre Rechte erst in einem langen Kampf erzwingen mussten. Dies soll die Leserin und den Leser jedoch nicht daran hindern, den Roman neu für sich zu entdecken.
Verfasser: Sascha Salatowsky
Lit. Friedrich Jacobs: Vermischte Schriften. Sechster Theil. Zerstreute Blätter. Leipzig 1837, S. 464–473. August Beck: Geschichte des gothaischen Landes. Band 1. Geschichte der Regenten. Gotha 1868, S. 428–451. August Beck: Artikel „August Emil Leopold, Herzog von Sachsen-Gotha und Altenburg“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 1 (1875), S. 681–683. Online: URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:August_(Herzog_von_Sachsen-Gotha_und_Altenburg)&oldid=2487723 (letzter Zugriff: 19. Dezember 2018). Norbert Klatt: „August Emil Leopold von Sachsen-Gotha und Altenburg und Johann Friedrich Blumenbach – Eine Beziehung sui generis“, in: Ders. (Hg.): Kleine Beiträge zur Blumenbach-Forschung. Bd. 6. Göttingen 2014, S. 7–91. Online-Ausgabe: http://d-nb.info/1051791316/34 (letzter Zugriff: 19. Dezember 2018). Bert Rebhandl: Besprechung „In Italien wurde Goethes polysexuell“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. Dezember 2018, Nr. 293, S. 11.
Der Roman „Kyllenion. Ein Jahr in Arkadien“ ist online verfügbar in der Ausgabe der Staatsbibliothek München: https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10111798_00005.html (letzter Zugriff: 19. Dezember 2018)