Zum Tod von Michael Stolleis
Die Forschungsbibliothek Gotha trauert um Prof. Dr. Michael Stolleis, der am 18. März 2021 gestorben ist. Michael Stolleis war der Bibliothek insbesondere durch seine Tätigkeit im wissenschaftlichen Beirat des von der DFG geförderten Projekts zur Erschließung der Korrespondenz und Lebenszeugnisse von Veit Ludwig von Seckendorff (1626–1692) verbunden. Das seit Beginn 2020 laufende Vorhaben erschließt mehr als 7.700 Dokumente Seckendorff aus 26 Archiven und Bibliotheken im nationalen Verbundkatalog Kalliope.
Michael Stolleis arbeitete nach eigenen Aussagen 1976/77 erstmals über Seckendorff und publizierte seine Ergebnisse in dem 1977 erschienenen Band „Staatsdenker in der Frühen Neuzeit“. Für seine Recherchen erhielt er seinerzeit keinen Zugang zu den im Archiv im thüringischen Altenburg liegenden Dokumenten. Auch 1986, als er die Veröffentlichung seines zwei Jahre später erschienenen Hauptwerks „Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland“ vorbereitete, stand er in Altenburg erneut „vor verschlossenen Türen“, wie er sagte. Das von der DFG geförderte Projekt, in dem die Thüringer Staatsarchive in Gotha und in Altenburg aufgrund ihrer immensen Überlieferungen zu Seckendorff eine zentrale Rolle spielen, empfand Michael Stolleis deshalb als „bibliothekarische und archivarische Großtat“.
Mit Michael Stolleis verliert die Forschungsbibliothek Gotha nicht nur einen der wichtigsten Kenner der europäischen Rechtsgeschichte und Seckendorffs, sondern auch einen ideenreichen Fürsprecher der quellenorientierten historischen Wissenschaften. Seine Zugewandtheit und sein großes Interesse an unseren Forschungen wird uns fehlen. Die Forschungsbibliothek ehrt Michael Stolleis mit der folgenden Beschreibung eines Briefes von Seckendorff, die der wissenschaftliche Mitarbeiter im Seckendorff-Projekt, Jacob Schilling, auf der Grundlage des in der Bibliothek überlieferten Autographen erstellt hat:
Seckendorff bestätigt in diesem Brief an den Numismatiker und Historiographen Tentzel (1659–1707) den Erhalt einiger Bücher des Georg Spalatin (1484–1545) aus der Gothaer Bibliothek, die er für seine Arbeit an dem „Commentarius De Historia Lutheranismi“ benötigt. Für den selben Zweck erkundigt er sich wegen Kirchenordnungen und weiterer verfassungsgeschichtlicher Literatur im Bestand. Mit diesem Brief setzt auch das Interesse an der Beschäftigung mit der Edition von Luthers Katechismus durch Justus Menius (1499–1558) ein, die Seckendorff in den nächsten Monaten immer wieder beschäftigen sollte. Der Brief ist Teil einer umfangreichen Korrespondenz der Gelehrten Seckendorff und Tentzel, ein kollegialer Austausch vor allem zu kirchengeschichtlichen und wissenschaftspolitischen Themen. Dieses Mal jedoch geht es um mehr. Der Brief ist schwarz gesiegelt, als Zeichen der Trauer: Seckendorff berichtet darin von der Totgeburt einer Tochter zwei Tage zuvor. Seckendorff unterwirft sich hierin dem Willen Gottes: „Laus sit ei in aeternum“. Die am Rand notierte Bitte jedoch, den Geheimrat Johann Friedrich Bachoff von Echt (1643–1726) über seinen schlechten Zustand in Kenntnis zu setzen, gibt Aufschluss über Seckendorffs Gemütszustand.
Verfasserin: Dr. Kathrin Paasch, 8. April 2021
Bibliographie:
Veit Ludwig von Seckendorff an Wilhelm Ernst Tentzel, Meuselwitz 6. Juli 1688.
Latein, Autograph, Brief
1 Bl., schwarzes Siegel
FB Gotha, Chart. B 199, 106r–v.
Bildnachweis des Porträts von Michael Stolleis:
© Max Planck Institut