Mit voll beladenen Wagen von Schweinfurt nach Gotha.
Die Anfänge der Hofbibliothek auf Schloss Friedenstein vor 375 Jahren

/ August 8, 2022

Innerhalb von wenigen Jahrzehnten erreichte die Hofbibliothek der Gothaer Herzöge auf Schloss Friedenstein eine überregionale Ausstrahlung. Die Sammlung wuchs zum Teil durch den Ankauf umfangreicher Gelehrtenbibliotheken rasch. 1647 wurden beispielsweise die 3.200 Drucke des Schweinfurter Juristen und Bibliophilen Anton Rüffer (1571–1634) und 1678 die gerühmte Bibliotheca Gerhardina erworben. Letztere, die die Jenaer Theologieprofessoren Johann (1582–1637) und Johann Ernst Gerhard (1621–1668) aufgebaut hatten, umfasste mehr als 6.000 Drucke und über 200 Handschriftenbände. 1714 machte der Bibliotheksdirektor Ernst Salomon Cyprian (1673–1745) die Handschriftensammlung durch die Publikation eines Katalogs in großen Teilen Europas bekannt.

Abb. 1. Instruktion Herzog Ernsts I. von Sachsen-Gotha für Andreas Rudolphi am 8. August 1647. LATh – StA Gotha, Kammer Gotha, Immediate Cammersachen, Nr. 1373, Bl. 13r.

Ein Gründungsdokument der Gothaer Hofbibliothek im engeren Sinne des Wortes ist nicht überliefert. Die Anfänge dieser bedeutenden und prestigeträchtigen Einrichtung des 1640 gegründeten Herzogtums Sachsen-Gotha sind erst fassbar in den Akten zum Erwerb der bereits genannten Rüfferischen Sammlung, speziell in der Instruktion zu deren Entgegennahme und Transport, die Herzog Ernst I. (1601–1675) am 8. August 1647 für den Kammerdiener, Bibliothekar und Baumeister Andreas Rudolphi (1601–1679) erstellen ließ (Abb. 1).

Laut der Instruktion sollte Rudolphi am nächsten Tag früh aufbrechen und den Weg über die Römhild, Heldburg und Königsberg nehmen. Diese drei Städte jenseits des Thüringer Walds in der historischen Kulturlandschaft Franken standen unter ernestinisch-sächsischer Herrschaft. Ab Königsberg, 35 km vor der Reichsstadt Schweinfurt, sollten mehrere ernestinische Amtspersonen Rudolphi begleiten, um ihm unter anderem beim Einpacken der Bücher zu helfen. Dabei sollte Rudolphi überprüfen, ob jeder einzelne Band, der in dem posthum erstellten Inventar aufgelistet war, tatsächlich ausgeliefert wird. Für den Transport nach Gotha wollte der Herzog die Stadt Schweinfurt oder Römhild dazu bewegen, 20 Fuhrwerke zur Verfügung zu stellen. Anderenfalls könnte Rudolphi den Kommandanten vor Ort bitten, mit dessen Regimentswagen die Bücher erstmal nach Königsberg zu bringen. Die Kisten auf dem Main bis Haßfurt, wenig Kilometer von Königsberg entfernt, zu transportieren, war eine weitere Option.

Die erste große Bestandserweiterung der Gothaer Hofbibliothek umfasste rund 3.200 Titel in 2.500 Bänden und 1.800 ungebundene Schriften. Mit einem Drittel der Gesamtbestände bildeten Theologica den Schwerpunkt. 19 % betrafen Wissensgebiete aus dem Fächerkanon der philosophischen Fakultäten der Universitäten, während Geschichte 17 %, Jurisprudenz 14 % und Medizin 6,5 % ausmachte. Es mag heute verwundern, dass die Privatbibliothek eines Juristen vorwiegend theologisch geprägt war, doch gehörte Theologie im 16. und 17. Jahrhundert prinzipiell zum Grundwissen aller protestantischen Gelehrten. Die Rüffersche Sammlung war kennzeichnend für das Erwerbsprofil der Herzoglichen Bibliothek im ersten Jahrhundert ihres Bestehens. Auch wenn die ersten Gothaer Herzöge universal sammelten, neigten sie aufgrund ihres Selbstverständnisses als Schirmherren des theologischen Erbes Luthers dazu, insbesondere die theologischen Bestände der Bibliothek auszubauen.

Dr. Daniel Gehrt

Quellen

  • Ernst Salomon Cyprian: Catalogus codicum manuscriptorum Bibliothecae Gothanae […]. Leipzig 1714.
  • Ernst I., Herzog von Sachsen-Gotha: Instruktion für Andreas Rudolphi, Schloss Friedenstein, 8. August 1647. LATh – Staatsarchiv Gotha, Kammer Gotha, Immediate Cammersachen, Nr. 1373, Bl. 13r–14v.

Literatur

  • Katalog der Handschriften aus den Nachlässen der Theologen Johann Gerhard (1582–1637) und Johann Ernst Gerhard (1621–1668). Aus den Sammlungen der Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha’schen Stiftung für Kunst und Wissenschaft, beschrieben von Daniel Gehrt unter Mitarbeit von Hendrikje Carius, Wiesbaden 2016.
  • Katalog der Handschriften aus dem Nachlass Ernst Salomon Cyprians (1673–1745). Aus den Sammlungen der Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha’schen Stiftung für Kunst und Wissenschaft sowie aus den Beständen des Landesarchivs Thüringen – Staatsarchiv Gotha und der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Gotha, Augustinerkloster, beschrieben von Daniel Gehrt, Wiesbaden 2021.
  • Uwe Müller: Die Bibliothek des Gründers der Academia Naturae Curiosorum (Leopoldina) Johann Laurentius Bausch (1605–1665). Geschichte Bestand, Vergleich mit der Bibliothek des Schweinfurter Juristen und Bibliophilen Anton Rüffer (1571–1634), in: Menso Folkerts (Hg.): Die Bausch-Bibliothek in Schweinfurt. Wissenschaft und Buch in der Frühen Neuzeit. Halle 2000, S. 14–38, hier: 34–38.
  • Kathrin Paasch (Hg.): Bücher bewegen. 375 Jahre Forschungsbibliothek Gotha. Gotha 2022, S. 117f., 120f.
  • Rudolf Ehwald: Geschichte der Gothaer Bibliothek, in: Centralblatt für Bibliothekswesen 18 (1901), S. 434–463, hier: 434, 437.
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