Internationale Konferenz zur persischen Sprache im mehrsprachigen Osmanischen Reich

/ Mai 12, 2023

Vom 27. bis 29. April 2023 hat im Forschungszentrum Gotha die im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms 1981: Transottomanica unter Mitwirkung der Forschungsbibliothek Gotha organisierte Konferenz „Multilingualism, Translation, Transfer: Persian in the Ottoman Empire“ stattgefunden. Wie die Beiträge auf der Konferenz zeigten, spielte das Persische im mehrsprachigen Osmanischen Reich eine wichtige Rolle in der Literatur, Bildung, Verwaltung und Diplomatie.

Der Naturforscher und Reisende Ulrich Jasper Seetzen (1767–1811) erwarb zwischen 1803 und 1805 in Aleppo neben vielen anderen Handschriften eine persische Übersetzung des bekannten arabischen Kartenwerks Kitāb al-Masālik wa-l-mamālik des Geografen al-Iṣṭaḫrī. Warum jedoch zirkulierte eine persische Kopie des Werkes im osmanischen Aleppo, wo doch eher Sprachen wie Arabisch, Syrisch oder Armenisch zu erwarten gewesen sein dürften? Welche Rolle spielte die persische Sprache im Osmanischen Reich? In welchen Bereichen kam das Persische zum Einsatz? An wen richteten sich Texte in persischer Sprache?

Abb. 1: Karte des Persischen Golfs aus einer persischen Übersetzung des Kartenwerks Kitāb al-Masālik wa-l-mamālik des Geografen al-Iṣṭaḫrī (angefertigt vor 1606 n.Chr.). Forschungsbibliothek Gotha, Ms. orient. P 36, fol. 16

Solche und ähnliche Fragen behandelten die Teilnehmer*innen der internationalen Konferenz „Multilingualism, Translation, Transfer: Persian in the Ottoman Empire“, die vom 27. bis 29. April 2023 im Forschungszentrum Gotha stattfand. Organisiert wurde die Konferenz im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms 1981: Transottomanica von Prof. Dr. Philip Bockholt (Westfälische Wilhelms-Universität Münster), Prof. Dr. Hülya Çelik (Ruhr-Universität Bochum), Prof. Dr. Ludwig Paul (Universität Hamburg) und Dr. Ani Sargsyan (Universität Hamburg) in Kooperation mit der Forschungsbibliothek Gotha.

Persisch war eine Lingua franca im Osmanischen Reich, die in verschiedenen kulturellen, literarischen und politischen Bereichen bis ins 19. Jahrhundert zum Einsatz kam, und es handelte sich durchaus nicht nur um eine Sprache gebildeter Eliten. Dies zeigten die vielfältigen Konferenzbeiträge. Den Anfang machte am 27. April Andrew Peacock (St Andrews) mit seiner Keynote Lecture „Persian in the Lands of Rum: Texts, Translations and Transformations“, in der die Übersetzung persischer Texte ins Türkische und die Interaktion der zwei Literatursysteme in den Blick rückte.

Abb. 2: Teilnehmer*innen der Konferenz „Multilingualism, Translation, Transfer: Persian in the Ottoman Empire“

Die Vorträge der internationalen Teilnehmer*innen an den folgenden beiden Tagen waren einer Vielzahl literarischer Gattungen gewidmet, anhand derer sich Übersetzungsbewegungen und sprachliche und kulturelle Transfers nachvollziehen lassen. Dazu gehören etwa Epen und Gedichte, Korankommentare, Fürstenspiegel und geografische Werke. Auch aus linguistischer Perspektive wurden Transferprozesse in den Blick genommen, etwa im Rahmen von Überlegungen zur „linguistischen Ökologie“ der transosmanischen Sphäre oder bei Auseinandersetzungen mit Wörterbüchern und lexikografischen Werken. Die materielle Kultur stand ebenfalls im Vordergrund. Neben Handschriften rückten Architektur und Epigraphie in den Blick, beispielsweise im Rahmen einer Auseinandersetzung mit dem Dialog zwischen Arabisch und Persisch im Inschriftenprogramm religiöser Stätten.

Abb. 3: Teilnehmer*innen der Konferenz bei einer Führung durch die orientalische Handschriftensammlung

Die Teilnehmer*innen konnten sich außerdem bei einer Führung durch die orientalische Handschriftensammlung der Forschungsbibliothek Gotha mit ihrer Sammlungsgeschichte vertraut machen und Handschriften ansehen, in denen sich die Mehrsprachigkeit der transosmanischen Sphäre eindrucksvoll niedergeschlagen hat. Die oben genannte persische Kopie des Kartenwerks des Geografen al-Iṣṭaḫrī ist nur eines von mehreren Beispielen für Handschriften, die mehrsprachige Praktiken in osmanischer Zeit reflektieren und in der Forschungsbibliothek Gotha aufbewahrt werden. Ein weiteres Beispiel ist etwa ein Werk mit dem Titel Hümāyūnnāme von ʿAlī Çelebi (gest. 1543), das eine türkische Übersetzung von Vāʿiẓ-i Kāšifīs persischer Version des Werks Kalīla wa-Dimna mit dem Titel Anvār-i Suhailī (Ms. orient. T 227) darstellt.

Für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Schriften, die die Grenzen zwischen dem Arabischen, Osmanischen und Persischen überwanden oder in denen die drei Sprachen komplexe Relationen eingingen, sind neben sprachlicher Expertise auch interdisziplinäre Zugänge erforderlich. Indem die Organisator*innen der Konferenz Forscher*innen einluden, die aus ganz unterschiedlichen Perspektiven und mit verschiedenen Fragestellungen an diesem Sachverhalt arbeiten, haben sie einen wichtigen Impuls für die zukünftige Beschäftigung mit dem Phänomen der Mehrsprachigkeit im Osmanischen Reich geleistet. Die Konferenzbeiträge sollen in einer Sonderausgabe der Zeitschrift Diyâr veröffentlicht werden.

Feras Krimsti

Feras Krimsti ist promovierter Historiker und Islamwissenschaftler sowie wissenschaftlicher Referent für die orientalische Handschriftensammlung an der Forschungsbibliothek Gotha.

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