„Neue Zeitung von den aufrührischen Bauern hin und her“
Die Verbreitung aktueller Nachrichten vor der periodischen Presse
Wie ein Lauffeuer erhoben sich Bauern und auch Bürger in Schwaben, Franken und im Elsass, im deutschsprachigen Teil der Eidgenossenschaft, im Rheinland, in Mitteldeutschland sowie in Tirol und im Erzstift Salzburg 1525 zum Aufstand. Das Aufbegehren richtete sich gegen die Leibeigenschaft, die als Unrecht empfundenen Privilegien des Adels- und geistlichen Standes und die damit verbundenen Abgaben und Frondienste, die für viele zu einer nicht mehr erträglichen Last geworden waren. Die Aufständischen organisierten sich in militärischen Zusammenschlüssen bzw. „Bauernhaufen“, die zahllose Klöster und Burgen stürmten, plünderten und zum Teil auch völlig zerstörten (Abb. 1).
Mit der sich rasch empörenden und verbreitenden Gewalt war es entscheidend, gut informiert zu sein, um die Lage besser einschätzen und entsprechend handeln zu können. Solche Nachrichtenübermittlung verbindet man häufig mit der periodischen Presse, das heißt Organen, die in regelmäßigen Abständen Blätter drucken und zirkulieren lassen, um ein breiteres Publikum über das regionale und überregionale Geschehen auf dem Laufenden zu halten. Dieses Medium etablierte sich aber erst hundert Jahre nach dem Bauernkrieg. Zu den Aufständen im Jahr 1525 wurde lediglich eine Handvoll vereinzelter Neuigkeitsberichte in Form von Einblattdrucken und Flugschriften gedruckt.1Vgl. Claus 1975, S. 40–43. Neben mündlichem Austausch waren Briefe und Briefbeilagen mit handschriftlich zusammengestellten und vervielfältigten Nachrichten oder „neuen Zeitungen“ im 16. Jahrhundert vitale Medien, mittels derer Informationen über aktuelle Ereignisse zirkulierten. Dennoch sind diese Quellen kaum überliefert. Ebenso wie moderne Tageszeitungen wurden sie selten lange aufbewahrt.
In den Handschriftensammlungen der Forschungsbibliothek Gotha befinden sich drei Dokumente mit listenähnlichen Aufstellungen von knappen und meist unkommentierten Neuigkeiten zu Aufständen und Feldzügen 1525 in verschiedenen Teilen des Reichs, die für diese Art von Nachrichtenbeförderung charakteristisch sind. Als Abschriften sind sie Zeugnisse der Vervielfältigung. Der kursächsische Geheimsekretär Georg Spalatin (1484–1545) hatte zwei von ihnen angefertigt und versah alle drei mit Vermerken. Sie wurden später am Hof archiviert. Diese Erkenntnisse zur Provenienz weisen auf das Interesse Kurfürst Johanns (1468–1532) an den aktuellen Entwicklungen hin. Die Nachrichten von überregionalen Ereignissen lagen nicht selten – je nach Entfernung – eine, zwei oder mehr Wochen in der Vergangenheit zurück.
Das früheste Dokument mit „neuen Zeitungen“ zum Bauernkrieg war Teil der brieflichen Kommunikation zwischen Personen im Dienst des kursächsischen Hofes. Rudolf von der Planitz und Hans von Wiessenbach, die offenbar nach Mühlhausen abgeordnet worden waren, berichteten am 2. Juni 1525 zunächst über die Schlacht bei Frankenhausen zweieinhalb Wochen zuvor, in der mindestens 6.000 Bauern durch das Fürstenheer niedergemetzelt worden waren, und über die Enthauptung der Rädelsführer Thomas Müntzer (1489–1525) und Heinrich Pfeiffer (vor 1500–1525), die in der Reichsstadt gewirkt hatten. Für den darauffolgenden Tag war der Aufbruch des Fürstenheers geplant. Der zweite Teil des Briefes beginnt mit den Worten: „Es sein neue Zeitung komen“. In gleicher Kürze wurde hier über Aufstände und militärische Aktivitäten in Schwaben, Franken und im Elsass berichtet. Die erwähnten Schlachten bei Böblingen und Zabern hatten vor mehr als zwei Wochen stattgefunden, während die Auskunft über den Feldzug des Bundes der schwäbischen Reichsstände nach Würzburg aktueller war. In diesem Kontext wurde die Bezeichnung „neue Zeitungen“ spezifisch für die Neuigkeiten über entfernte Gebiete verwendet.
Die beiden anderen Dokumente sind Briefbeilagen, anonym und ohne bestimmten Adressaten. Die Überschrift des ersten Dokuments vom 18. Juni 1525 lautet „Neue Zeitung von den aufrührischen Bauern hin und her“, die des anderen vom 12. Juli 1525 „Zeitung wie man mit den aufrührischen Bauern umgeht“. Die frühere Aufstellung von Neuigkeiten beginnt und endet mit dem Itinerar Kurfürst Johanns von Sachsen, der das Fürstenheer in der Schlacht bei Meiningen südlich des Thüringer Waldes am 3. Juni siegreich geführt hatte. Nach Abnahme der Huldigung durch die Bürger, die die Aufständischen unterstützt hatten, verließ der Kurfürst am 9. Juni das Feldlager vor der Stadt und zog zu seiner Festung in Coburg. Er hielt sich dort bis zum 14. Juni auf. Am 18. Juni kam er in Schloss Hornstein in Weimar an und plante nun, in den nächsten Tagen ins Vogtland aufzubrechen. Zwischen diesen Angaben liegen Neuigkeiten über Empörungen, Siege und Niederlagen in Franken, Tirol, Schwarzwald, Thüringen, im Elsass und im Erzstift Salzburg. Allein in den Hochstiften Würzburg und Bamberg sollen 112 Burgen geplündert und in Brand gesetzt worden sein. In Vergeltung metzelte der Schwäbische Bund zahllose Bauern nieder und verwüstete ihre Dörfer. Zugleich gelang es dem Bund, den Fürstbischof von Würzburg wieder an die Macht zu setzen. Sowohl die Fürstbischöfe von Brixen und Trient als auch der Habsburger Erzbischof von Österreich mussten wegen der Aufständischen aus ihrem Land fliehen, während der Erzbischof von Salzburg in seiner Festung Hohensalzburg belagert wurde. Berichtet wurde auch von der verheerenden Niederlage der Bauern in der Schlacht bei Zabern im Elsass und der militärischen Einnahme von Freiburg im Breisgau.
Die andere Aufstellung von Neuigkeiten informiert über die Aufstände in Franken und Schwaben, im Erzstift Salzburg, im Rheinland und in der Reichsstadt Frankfurt am Main sowie über den aktuellen Aufenthaltsort des gefangen genommenen französischen Königs in Barcelona. Diese „neuen Zeitungen“ sind hier aus erster Hand zu lesen (Abb. 2):

Abb. 2: „Neue Zeitungen“ über Aufstände in Franken, Schwaben, im Erzstift Salzburg, im Rheinland und in der Reichsstadt Frankfurt am Main, 12. Juli 1525.
Adj2frühneuhochdeutsches Adverb aus dem Italienischen mit der Bedeutung „am Tag“ am Sanct Margareten tag 12. Julij 1525
Das Kopf abschlaen3abschlagen hat jn diesen Landen4Franken noch keyn aufhoren. Doctor Teutschel,5Johannes Teuschlein (1483–1525), Reformprediger und Pogromanführer in Rothenburg ob der Tauber der blind munch,6Hans Schmidt, Franziskaner und evangelischer Prediger in Rothenburg ob der Tauber vnd ein edelman Steffan Mentzinger7Stefan von Menzingen (ca. 1475–1525), Anführer der innerstädtischen Revolte in Rothenburg ob der Tauber sind selb 25 zu Rotenburg8Rothenburg ob der Tauber gekopfft.9am 1. Juli 1525 Jn diesen Landen10Franken werden aus der massen viel armer Leut witwen vnd waisen gemacht. Die Franckischen Fursten11Weigand von Redwitz, Fürstbischof von Bamberg (1476–1556); Konrad II. von Thüngen, Fürstbischof von Würzburg (ca. 1466–1540) haben ein tag leistung zu Forcheim12Forchheim furgenummen, dohin die von Nurenberg13Nürnberg(/mfn] die iren auch abgefertigt haben. Marx Sitich von Embs13Marx Sittich von Ems (1466–1533), Landsknechtführer hat die baurn im Hegaw14Hegau geschlagenn. Die bundische15Schwäbischer Bund vermeinen in kurtz frid zu derselben art zu machenn, vnd folgend den Cardinal von Salzburg16Matthäus Lang von Wellenburg, Erzbischof von Salzburg (1468–1540) zurettenn, der den gantzen Stifft17Erzstift Salzburg verlorn hat, vnd in seinem Schloß ob der Stat18Festung Hohensalzburg belegert ist. Die baurn derselben art, haben vor wenig tagen zwolff meyl19ca. 40 km von Saltzburg20Salzburg bey einem flecken genant Rastat21Radstadt ein trefflich summa Kriegßfolcker Behem22Böhmer vnd Steyrer23Steyrer zu roß vnd fuß darnidergelegt vnd Her Sigmund von Dittrichsteyn24Siegmund von Dietrichstein (1484–1533) Landtshaubtman gewundt vnd gefangen.25am 3. Juli 1525 in Schladming So ist am Reyn26Rheinland auch muhe vnd arbeyt, dringen die Fursten27Kurfürst Ludwig V. von der Pfalz (1478–1544); Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz (1490–1545); Richard von Greiffenklau zu Vollrads, Erzbischof von Trier (1467–1531) die Reichstet28Frankfurt am Main wegen des Zunftaufstands die alte gebreuch wider aufzurichtenn, vnd was sie gemes dem Euangelion furgenumen wider abzustellen.29Rückgängigmachung der evangelischen Reformen Der Konyg von Franckreich30König Franz I. von Frankreich (1494–1547) ist in Hispanien31Spanien gin Barzalona gefurt.32Der König war am 24. Februar 1525 in der Schlacht bei Pavia in kaiserliche Gefangenschaft geraten und wurde nach Barcelona geführt (Ankunft am 19. Juni)
Handschriftliche Nachrichtenübermittlung ist bisher wenig erforscht, bildet aber einen Schwerpunkt der bevorstehenden Tagung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Forschungsbibliothek Gotha „Überregionale Korrespondenzen in der Reformationszeit. Gelehrtennetzwerke – Kommunikationsstrukturen – Nachrichtensysteme“, die vom 17. bis zum 19. September 2025 in Wien stattfindet (Programm und Anmeldung).
Daniel Gehrt
Daniel Gehrt ist Historiker und Wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Erschließung frühneuzeitlicher Handschriften an der Forschungsbibliothek Gotha.
Quellen
- Rudolf von der Planitz und Hans von Weissenbach: Brief an die Verordneten in Altenburg, Mühlhausen, 2. Juni 1525. FB Gotha, Chart. A 338, Bl. 261r–262v.
- Digitalisat: https://dhb.thulb.uni-jena.de/receive/ufb_cbu_00015493.
- Abdruck: Der Andere Theil Nützlicher Uhrkunden, Zur Erläuterung Der ersten Reformations-Geschichte …, hrsg. von Ernst Salomon Cyprian. Leipzig 1718, S. 354–357.
- „Neue Zeitung von den aufrührischen Bauern hin und her“, 18. Juni 1525. FB Gotha, Chart. A 338, Bl. 263r–264v.
- Digitalisat: https://dhb.thulb.uni-jena.de/receive/ufb_cbu_00015494.
- Abdruck: Der Andere Theil Nützlicher Uhrkunden, Zur Erläuterung Der ersten Reformations-Geschichte …, hrsg. von Ernst Salomon Cyprian. Leipzig 1718, S. 357–360.
- „Zeitung wie man mit den aufrührischen Bauern umgeht“, 12. Juli 1525. FB Gotha, Chart. A 338, Bl. 265r–v.
- Digitalisat: https://dhb.thulb.uni-jena.de/receive/ufb_cbu_00015495.
- Abdruck: Der Andere Theil Nützlicher Uhrkunden, Zur Erläuterung Der ersten Reformations-Geschichte …, hrsg. von Ernst Salomon Cyprian. Leipzig 1718, S. 361f.
Literatur
- Helmut Claus: Der deutsche Bauernkrieg im Druckschaffen der Jahre 1524–1526, Gotha 1975, S. 40–43, Nr. 72–82 (Verzeichnis von 13 bekannten Neuigkeitsberichten).
- Franz Mauelshagen: Netzwerke des Nachrichtenaustausches. Für einen Paradigmenwechsel in der Erforschung der „neuen Zeitungen“, in: Johannes Burkhardt und Christine Werkstetter (Hrsg.): Kommunikation und Medien in der Frühen Neuzeit. München 2005, S. 409–425.
- Hans Wagner (Hrsg.): Zeitungsbriefe und Briefzeitungen oder die Anfänge der Zeitung. Richard Grasshoff (1877), Georg Steinhausen (1895), Karl Bücher (1893) und Adolf Koch (1910). Baden-Baden 2017.
Abbildungsnachweis
- Handlung/ Artickel/ vnnd Jnstruction/ so fürgenommen worden sein vonn allen Rottenn vnnd Hauffen der Pauren/ so sich zesamen verpflicht haben …, [Augsburg] 1525 (VD16 H 488). BSB München, Res/4 Eur. 332,33, Titelblatt (Ausschnitt).
- „Neue Zeitungen“ über Aufstände in Franken, Schwaben, im Erzstift Salzburg, im Rheinland und in der Reichsstadt Frankfurt am Main, 12. Juli 1525. Forschungsbibliothek Gotha, Chart. A 338, Bl. 265r.
Abb. auf der Übersichtsseite: Diepold Peringer: Eyn Sermon geprediget vom Pawren zu Werdt bey Nurnberg … Erfurt 1524 (VD16 P 1407). FB Gotha, Theol 4° 975/1 (3), Titelblatt (Ausschnitt).