Aus eins mach zwei: Universitätsbibliothek Erfurt und Forschungsbibliothek Gotha gehen künftig getrennte Wege
Aus eins mach zwei: Die Universitätsbibliothek Erfurt und die Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt werden künftig getrennte Wege gehen. „WortMelder“ sprach mit den Leitern der beiden Einrichtungen, Gabor Kuhles und Dr. Kathrin Paasch, über die Hintergründe…
WortMelder: Frau Dr. Paasch, die Forschungsbibliothek geht künftig eigene Wege, warum und welche Vorteile hat eine solche Trennung?
Dr. Kathrin Paasch: Der Wissenschaftsrat hat die Forschungsbibliothek im Jahr 2015 evaluiert und unsere, die Forschung unterstützenden Dienstleistungen, unsere Forschungsergebnisse und unser Engagement in der Lehre und Nachwuchsförderung ausgesprochen positiv bewertet. Gleichzeitig wies er jedoch deutlich darauf hin, dass die Forschungsbibliothek über unzureichende Ressourcen verfügt und empfahl dem Land Thüringen den finanziellen sowie personellen Aufwuchs der Bibliothek und strukturelle Veränderungen, zu denen auch unsere Verselbstständigung unter dem Dach der Universität gehört. Land und Universität haben sich daraufhin verständigt, die Forschungsbibliothek weiterzuentwickeln und zu stärken. In diesem Sinne setzen wir nun gemeinsam ein Bündel von Aktivitäten um. Mit der Verselbstständigung unter dem Dach der Universität wird die Forschungsbibliothek zu einer zentralen wissenschaftlichen Einrichtung der Universität. Dadurch werden nun Strukturen geschaffen, die den Aufgaben der Forschungsbibliothek gerecht werden, entsprechende Profilierungen ermöglichen und damit zu einer stärkeren nationalen und internationalen Wahrnehmung der Bibliothek in der bibliothekarischen und Forschungsöffentlichkeit beitragen. Die Verselbstständigung ist somit ein immens wichtiger Markstein, mit dem wir auch die Weiterentwicklung unserer eigenen internen Organisationsstruktur verbinden werden. Die damit gestiegene Verantwortung ist für uns Gewinn und Motivation zugleich.
WortMelder: Die Trennung zweier bislang so eng verwobener Einrichtungen ist sicherlich keine einfache Sache. Was musste geschehen, damit sie gelingen kann?
Gabor Kuhles: In der Tat. Insofern erfolgte die Trennung der bibliothekarischen Geschäftsbereiche auch in enger Abstimmung mit dem Präsidium. Prämisse dabei war, die Forschungsbibliothek in die Lage zu versetzen, erfolgreich ihr Profil als wissenschaftliche Einrichtung schärfen und sich im Kontext des Sammlungs- und Forschungsverbunds Gotha weiterentwickeln zu können. Dafür benötigt die Forschungsbibliothek Gotha einen gewissen Freiraum von bibliothekarischen Routineprozessen wie etwa der Medienerwerbung- und bearbeitung. Andererseits sollten natürlich Redundanzen vermieden werden. Die gefundene Arbeitsteilung sieht vor, dass die Universitätsbibliothek Erfurt die Forschungsbibliothek Gotha bei der Wahrnehmung ihrer bibliothekarischen Aufgaben unterstützt.
WortMelder: Was ändert sich denn künftig für die Nutzer der Forschungsbibliothek Gotha bzw. der Universitätsbibliothek?
Gabor Kuhles: Zugespitzt formuliert: Nichts! Die Nutzer werden die Trennung im Alltag so gut wie nicht spüren. Die Forschungsbibliothek Gotha und die Universitätsbibliothek Erfurt führen weiter einen gemeinsamen Online-Katalog. Sie stimmen sich in Fragen der Benutzung und der gegenseitigen Bereitstellung ihrer Bestände wie bisher ab. So gilt für die Nutzer beider Bibliotheken weiterhin, dass sie Medien an den jeweils anderen Standort bestellen, hier entleihen und auch zurückgeben können. Auch der Zugang zu dem breiten Angebot an elektronischen Informationsressourcen bleibt im Wesentlichen für alle Nutzer gleichberechtigt möglich. Formal wird der Verselbstständigung der Forschungsbibliothek künftig durch zwei Benutzungsordnungen entsprochen. Beide Ordnungen sind in den wesentlichen Schnittbereichen der Benutzungsregularien eng aufeinander bezogen und weitgehend übereinstimmend.
WortMelder: Gibt es denn Projekte, die Universitäts- und Forschungsbibliothek noch gemeinsam bearbeiten oder anders gefragt: Wo gibt es noch Synergien?
Gabor Kuhles: Beide Einrichtungen bleiben selbstverständlich Bestandteil der Bibliotheksinfrastruktur der Universität und des Freistaats. Sie arbeiten weiterhin in unterschiedlichen Formen eng zusammen, etwa als Bibliotheken im Gemeinsamen Bibliotheksverbund, in gemeinsamen bibliothekarischen Gremien und Arbeitsgruppen.
Dr. Kathrin Paasch: Und jede unserer beiden Bibliotheken wird nach der Trennung Aufgaben für das andere Haus wahrnehmen. Mit der Integration der Forschungsbibliothek in die Universitätsbibliothek 1999 hatte die Universitätsbibliothek die Erwerbung gedruckter Literatur, die seit 1851 erschienen ist, für die Forschungsbibliothek übernommen. Diese Aufgabe führt die Universitätsbibliothek für uns weiter. Dafür sind wir dankbar und dies ist auch sinnvoll, da wir so eine Dopplung von Arbeitsaufgaben vermeiden und nun unsere Kraft in unsere forschungsbibliothekarischen Aktivitäten stecken können. Darüber hinaus sichert die Universitätsbibliothek auch die Versorgung der Forschungsbibliothek mit elektronischen Medien und betreut das gemeinsame Bibliothekssystem mit seinen Modulen zur Erwerbung und zur Ausleihe von Medien. Die Forschungsbibliothek wiederum wird die gemeinsame Restaurierungswerkstatt betreiben sowie die restauratorische Betreuung der wertvollen historischen Bestände in Erfurt. Auf dem Feld der Bewahrung des kulturellen Erbes verfügen wir über reiche theoretische und praktische Erfahrungen.
WortMelder: Welche Ziele hat sich die Forschungsbibliothek für 2018 gesteckt, welche spannenden Projekte stehen in diesem Jahr an?
Dr. Kathrin Paasch: An erster Stelle steht für die Forschungsbibliothek, die eben genannten Schritte im Zuge der Wissenschaftsratsempfehlungen in hoher Qualität und relativ kurzer Zeit im Zusammenspiel mit den Partnern im Land und in der Universität umzusetzen. Konkret bedeutet dies den Neustart der Bibliothek als zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Universität und die Umsetzung der damit verbundenen zahlreichen organisatorischen Änderungen, die Einstellung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Umgestaltung unserer internen Organisationsstruktur. Daneben setzen wir mit unseren Partnern Aktivitäten zur Weiterentwicklung der Bibliothek und zur Aufbereitung, Bewahrung und Präsentation unserer Originale und Digitalisate fort. Besonders wichtig ist mir dabei, wie wir auch über Gotha hinaus das Miteinander zwischen den Sparten Archiv, Bibliothek und Museum in diesen Zeiten des rasanten digitalen Wandels gestalten können. Hier sehe ich die Forschungsbibliothek mit ihren bibliothekarischen, archivarischen und musealen Aufgaben als Vermittlerin und Handelnde zugleich. Konkret bedeutet dies unseren Einstieg in die Einrichtung des Gotha-Portals für den Sammlungs- und Forschungsverbund Gotha, das die Sammlungen und Forschungen in Gotha virtuell zusammenführen und präsentieren wird. Unter den zahlreichen Tagungen hier in Gotha möchte ich insbesondere auf den von uns gestalteten Gotha Manuscript Workshop „Alchemy in the Islamicate World“ im September, unsere ebenfalls im September stattfindende internationale Tagung „Reforming Church History: The Rise of the Reformation as an Era in Early Modern European Historiography“ und unseren Workshop zum Kuratieren digitaler Ausstellungen im November hinweisen. Und auch in diesem Jahr werden wir zwei Ausstellungen zeigen. Die Herbstausstellung in Zusammenarbeit mit dem Sammlungs- und Forschungsverbund Gotha läuft im Rahmen der 9. „Gothaer Kartenwochen“ unter dem Titel „Meridian Gotha. Zur Triangulation und Vermessung in Thüringen um 1800“. Die Frühjahrsausstellung „FaunaFloraForster – Georg Forsters Bilder der Natur“ und ein dazugehöriger, hochrangig besetzter Workshop widmen sich den wunderbaren, in der Bibliothek aufbewahrten Pflanzen- und Tierzeichnungen des Weltreisenden, Schriftstellers und Revolutionärs Forster. 2018 wird also für die Forschungsbibliothek wieder ein arbeitsreiches Jahr. Darauf freue ich mich.
WortMelder: Und welche Pläne gibt es für die Universitätsbibliothek, Herr Kuhles?
Gabor Kuhles: Die Universitätsbibliothek wird den angestoßenen Prozess der Neuordnung des Systems der wissenschaftlichen Bibliotheken im Rahmen des Kooperationsverbunds der Hochschulbibliotheken weiter eng begleiten. In diesem Zusammenhang sind Themenfelder wie das Wissenschaftliche Publizieren (Open Access) und die Einführung und Weiterentwicklung digitale Dienste von besonderer Bedeutung. Zudem werden wir die Vorbereitungen für eine Digitalisierung und tiefere Erschließung der „Bibliotheca Amploniana“ weiter vorantreiben.