Museumsnacht lockt mit Gothaer Bilderhandschrift auf den Friedenstein
Die Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt bewahrt einen bedeutenden Bestand an mittelalterlichen Handschriften, die reich illuminiert und illustriert noch heute für Bücherliebhaber von einem hohen ästhetischen Reiz sind. Passend zur diesjährigen Museumsnacht, an der sich die Bibliothek am Samstag, 27. Oktober, mit Sonderführungen um 20, 21 und 22 Uhr beteiligen wird, präsentiert der Quaternio Verlag Luzern im Eingang zum Spiegelsaal im 2. Obergeschoss des Schlosses Friedenstein die ersten Faksimileblätter, Andrucke und Proben aus der um 1340 entstandenen Bilderhandschrift des Welschen Gastes aus dem Bestand der Forschungsbibliothek Gotha.
Bei der Handschrift handelt es sich um die erste umfassende Verhaltenslehre in deutscher Sprache. Das mit seinen rund 15.000 Versen beeindruckende Lehrgedicht von Thomasin von Zerklaere wurde um 1215/16 am Hof des Patriarchen von Aquileia im Friaul geschaffen. Der Text gehört in einen historischen Zusammenhang mit dem 1198 ausgebrochenen Thronstreit zwischen Staufern und Welfen im Reich nördlich der Alpen und ist an den deutschsprachigen Adel gerichtet. In dessen von Sittenverfall und anderen Übeln geprägten Verhalten macht der italienische (= welsche) „Zaungast“ die Ursache für die unheilvollen Verhältnisse seiner Zeit aus und unternimmt gleichzeitig den Versuch, die Gesellschaft durch Bildung, Erziehung und Anleitung zu tugendhaftem Handeln zu bessern.
Der Welsche Gast war im Mittelalter sehr beliebt. 25 Textzeugen sind überliefert, nur wenige davon illustriert. Die Handschrift mit dem reichsten Bilderschmuck ist der Gothaer Codex aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, der den Betrachter mit 120 Illustrationen in leuchtenden Deckfarben begeistert. Figuren mit geschwungenen Spruchbändern, Ritter im Kampf, Menschen beim Spiel, zur See und in anderen Situationen, Tiere, Engel und Teufel bevölkern die Seiten. Diese prächtige Bilderhandschrift wird vom Quaternio Verlag Luzern originalgetreu faksimiliert. Das Original wird bei den Führungen gezeigt.
Die Faksimile-Edition des Welsches Gastes mit einem wissenschaftlichen Kommentarband, der u.a. eine Transkription und die vollständige Übertragung der 15000 Verse ins Neuhochdeutsche enthält, erscheint im Januar 2019.