Ein Zeugnis des Entdeckungszeitalters
Åkermanns Erdglobus und das neue geografische Wissen seiner Zeit
Noch bis zum 11. Juni lädt die Forschungsbibliothek ihre Gäste ein, in ihrer Ausstellung „Vom Fremden erzählen. Reiseberichte aus fünf Jahrhunderten“ anhand einer exquisiten Auswahl aus ihren Beständen und Objekten der Stiftung Schloss Friedenstein auf Reisen zu gehen. Ein Globus aus den Sammlungen der Forschungsbibliothek darf dabei nicht fehlen. Sein Schöpfer, der Kupferstecher und Mathematiker Anders Åkermann betrat im Auftrag der 1758 an der schwedischen Universität Uppsala gegründeten Kosmografischen Gesellschaft den europäischen Globen-Markt. Nach kleineren Modellen entwickelte er das Paar eines Erd- und Himmelsglobus mit einem Durchmesser von 59 cm, das er ab 1766 bis zu seinem Tod 1778 vertrieb. Aus dieser Auflage stammt das heute in der Forschungsbibliothek Gotha überlieferte Globenpaar. Es ist zu vermuten, dass die Globen zwischen 1766 und 1778 in die herzogliche Bibliothek kamen. Ihr Erwerb fällt damit in die Regierungsphase des naturwissenschaftlich aufgeschlossenen, an Experimenten interessierten und neue geographische Entdeckungen intensiv verfolgenden Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (*1745, 1772–1804).
Åkermanns Globenpaar ist mit seinen künstlerisch ausgeführten Gestellen zunächst als repräsentatives Element, als Möbelstück eines architektonischen Ausstattungsprogramms zu verstehen, wie es vielfach für die Bibliotheken des Barocks nachgewiesen ist. Beide Globen lassen zudem noch alle Gebrauchsmerkmale eines wissenschaftlichen Instruments erkennen, das Globen im Verlauf des 19. Jahrhunderts verloren geht. Bei Åkermanns Erdglobus ist es der Horizont- und Meridianring, die bei richtiger Anwendung die Bestimmung von Sonnenpositionen, Sonnenauf- und -untergang, Tageslänge, Entfernung von Orten und Himmelsrichtungen ermöglichen.
Zugleich ist Åkermanns Erdglobus Repräsentation des mit Christoph Kolumbus einsetzenden Zeitalters der Entdeckungen und der europäischen Expansion1Jan Mokre, Globen als Repräsentationen des Zeitalters der europäischen Expansion, in: Michael Bischoff/Vera Lüpkes/Wolfgang Crom (Hg.), Kartographie der Frühen Neuzeit. Weltbilder und Wirkungen. Marburg 2015, S. 51–66, hier S. 51., deren Reiseberichte Ernst II. intensiv sammelte. Als Zeugnis der Entdeckungsgeschichte dokumentiert Åkermanns Globus auf der Grundlage moderner, vor allem französischer Karten den Stand des geographischen Wissens seiner Zeit mit all seinen Unzulänglichkeiten. Verzeichnet wird Vitus Berings Kamtschatka-Expedition von 1733–1743, die endgültig bewies, dass es zwischen Amerika und Asien keine Landverbindung gibt. Die ostamerikanische Küste basiert auf phantasievollen Berichten Bartolomés de Fonte. Australien (Nova Hollandia) ist in seinen östlichen Grenzen noch gänzlich unbekannt. Tasmanien und Neuseeland fließen mit der am Südpol vermuteten terra australis zusammen, die nach zeitgenössischen Theorien das Gegengewicht zu den Landmassen der Nordhalbkugel bilden sollte.
Innovativ sind die thematischen Aspekte des Globus. Neben den typischen Oberflächenformen in Maulwurfshügelmanier markiert Åkermann Bewaldung und kennzeichnet mit Pfeilen Meeresströmungen und die Windsysteme der Passate und Monsume. Keinen Platz mehr finden auf dem Globus die noch im 17. Jahrhundert üblichen Fabelwesen, Phantasiegestalten, mythologische Szenen, Menschen, Tiere, Pflanzen, Schiffe, die unbekannte Räume der Erde bevölkern und so das Nichtwissen geschickt verbargen.
Petra Weigel
Petra Weigel ist promovierte Historikerin und betreut seit 2008 die Sammlung Perthes der Forschungsbibliothek Gotha.
Weitere Informationen finden Sie unter https://uni-erfurt.de/go/fbg-ausstellungen.
Verwendete Literatur
- Werner Horn, Die alten Globen der Forschungsbibliothek und des Schlossmuseums Gotha, Gotha 1976, S. 33–38
- Jan Mokre, Globen als Repräsentationen des Zeitalters der europäischen Expansion, in: Michael Bischoff/Vera Lüpkes/Wolfgang Crom (Hg.), Kartographie der Frühen Neuzeit. Weltbilder und Wirkungen. Marburg 2015, S. 51–66.
- Monika E. Müller (Hg.), Vom Fremden erzählen. Reiseberichte aus fünf Jahrhunderten, Ausst.-Katalog, Gotha 2023, hier S. 56–57 (Nr. 2.4).
- Sylvia Sumira, Der Globus. 400 Jahre Geschichte, Macht, Entdeckungen, Darmstadt 2016 [engl. Ausgabe London 2014], S. 33–38 (Nr. 31).