Niedersorbischer Katechismus aus dem 16. Jahrhundert: Forschungsbibliothek Gotha präsentiert einen seltenen Fund
Im Rahmen der Restaurierung des in der Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt befindlichen Nachlasses des Reformators Paul Eber (1511–1569) sind Fragmente des Kleinen Katechismus‘ von Martin Luther in niedersorbischer Sprache entdeckt worden. Nach einer ersten Einschätzung von Prof. Dr. Eduard Werner vom Institut für Sorabistik der Universität Leipzig handelt es sich um eines der ältesten, bisher bekannten Dokumente niedersorbischer Sprachdenkmäler aus dem 16. Jahrhundert.
Die Fragmente sind als Einbandmaterial für Alte Drucke verwendet worden. Offenbar erschienen sie dem Verwalter des Eber-Nachlasses so unbedeutend, dass sie – wie zahllose liturgische Texte auf Pergament aus dem Mittelalter – auf ihren materiellen Wert reduziert wurden. Bei diesen handschriftlichen Papierstreifen handelt es sich zum einen um den Brief einer Witwe aus Nürnberg an den Wittenberger Theologieprofessor, zum anderen um einen Brief von Ebers Tochter an ihren Bruder sowie um Abschriften von Akten zu Kirchenkonflikten im ernestinischen Thüringen. Darunter befinden sich schließlich auch Teile von Martin Luthers Kleinem Katechismus in niedersorbischer und deutscher Sprache.
Das Besondere an diesem Fund erklärt sich daraus, dass die sorbische Sprache überhaupt erst in Verbindung mit der Reformation, die in mehreren Städten der Oberlausitz seit den 1540er-Jahren Fuß gefasst hatte, verschriftlicht wurde. Überliefert sind vor allem Übersetzungen aus dem Deutschen für die liturgische Praxis und den elementaren Unterricht in der evangelischen Lehre. Zu den frühesten handschriftlichen Texten gehören eine Taufagende (1543), geistliche Lieder (1545) und die Übersetzung des Neuen Testaments (1548) ins Niedersorbische. Die vorliegenden Fragmente dürften nicht wesentlich älter sein, stammen sie doch aus dem Nachlass Ebers, der 1569 verstarb. Eber führte ebenso wie sein Vorgänger Philipp Melanchthon (1497–1560) eine umfassende Korrespondenz mit lutherischen Gelehrten, Fürsten und Stadtmagistraten in weiten Teilen Europas. Zu den Menschen, mit denen er am häufigsten Briefe wechselte, zählt der Pfarrer Johannes Mathesius (1504–1565) in Joachimsthal, einer Stadt, die damals ebenso wie die Ober- und Niederlausitz der böhmischen Krone unterstellt war. Wahrscheinlich kam Eber aufgrund seiner zentralen beratenden und vermittelnden Position an der Leucorea in Wittenberg in den Besitz des aus heutiger sprach- und kulturhistorischer Sicht äußerst wertvollen Katechismus‘.
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Dr. Sascha Salatowsky
Forschungsbibliothek Gotha
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