Astronomie für Mädchen
Paul Scheiner, Summarium Arithmetico Cosmographicum fundamentale et methodicum, Halle 1667, FB Gotha, Math 8° 52/7 (2) © Universität Erfurt, Forschungsbibliothek Gotha. Zum Link für das Digitalisat hier klicken.
Magdalena Sibylla von Sachsen (1648–1681), Tochter des Administrators des Erzstifts Magdeburg, Herzog August von Sachsen (1614-1680) erhielt am Hof ihres Vaters in Halle eine gründliche Ausbildung. 1660 wurde ihr ein eigener „Informator“, der aus der Residenzstadt stammende und in Leipzig akademisch ausgebildete Magister Paul Scheiner zugewiesen, der bis zur Verheiratung der Herzogin mit dem mit Gothaer Erbprinzen, dem späteren Herzog Friedrich I., in dieser Position verblieb. Scheiner verfasste für seine Schülerin eigene Lehrkompendien, darunter auch die hier gezeigte Einführung in die Arithmetik und Kosmographie. In seiner Vorrede zu dieser Schrift – ein Geschenk anlässlich des 19. Geburtstags Magdalena Sibyllas – bezeichnet er sie als eine „Gottseelige/ Fromme/ Gelehrte und Hochbegabte Fürstin“. Sie habe mehrfach die Bibel, das Konkordienbuch und die Werke Oberhofpredigers und Generalsuperintendenten Johannes Olearius (1611-1684) gelesen und Interesse gezeigt an „Wissenschafften/ welche vor andern absonderlich löblich/ nützlich und hohen Personen wohl anständig sind“. Die junge Fürstin habe Latein, Griechisch und Hebräisch gelernt, Geschichte und Botanik studiert und wolle nun „in sonderheit die Arithmeticam und Cosmographiam verstehen lernen/ also/ daß Sie Ihre Globus und Land-Charten wohl zu gebrauchen“. Diesem Ziel dient das von Scheiner verfasste Lehrbuch. In einem katechetischen Frage-Antwort-Muster präsentiert es neben einer Einführung in die Arithmetik vor allem geographisches Wissen, wozu auch die Möglichkeiten der Erdvermessung, die Planung von Landkarten etc. gehört. Eine knappe Einführung in die Astronomie (Sternbilder, Planeten) und eine Anleitung zur Verwendung von Globen („Globus Coelestis“ und „Globus Terrestris“) beschließend das Werk.
Die Einbeziehung naturkundlichen Wissens in die Erziehung der fürstlichen Kinder am Hof in Halle geschah offenbar unter Bezugnahme auf Gotha. In dem für Magdalena Sibylla gebundenen und mit ihren Initialen sowie der Jahresangabe 1667 versehenen Band folgt direkt nach Scheiners Summarium die Erstausgabe des 1657 in Gotha erschienenen „Kurtzen Unterricht : I. Von Natürlichen Dingen. II. Von etlichen nützlichen Wissenschafften“, dem ersten natur- und realienkundlichen Lehrbuch für Elementarschulen überhaupt . Nach der ernestinisch-albertinischen Hochzeit 1669 gelangte der Band als Teil der „schönen Bibliothec“ Magdalena Sibyllas, die sogar das Interesse ihres Schwiegervaters, Herzog Ernst des Frommen, fand, nach Gotha. Zahlreiche handschriftliche Einträge und Exzerpte auf dem vorderen und hinteren Spiegel zeigen, dass das Buch vielfältig verwendet worden ist. Es erlaubt Einblick in eine Bildungswelt, die weit über die Vorbereitung auf die Rolle als Fürstin und Mutter hinausging und deshalb ein bedeutendes Zeugnis weiblicher Gelehrsamkeit im 17. Jahrhundert darstellt. Paul Scheiner, der Verfasser dieses außergewöhnlichen Lehrbuchs, wechselte nach der Verheiratung Magdalena Sibyllas in den Kirchendienst der albertinischen Sekundogenitur Sachsen-Weißenfels, zunächst als Superintendent in Barby und ab 1681 in Eckartsberga.
(Text: Thomas Töpfer)
Literatur
Andrea Thiele: „Wahre Religion, Christliche Tugenden, Nützliche Wissenschaften“. Die Schulbücher Magdalena Sibyllas von Sachsen-Gotha (1648-1681). In: Im Land der Palme. August von Sachsen, Erzbischof von Magdeburg und Fürst in Halle (1614-1680). Katalog zur Ausstellung im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), hrsg. von Boje E. Hans Schmuhl in Verbindung mit Thomas Bauer-Friedrich. Halle (Saale) 2014, S. 169-175.