Notizen aus dem Gothaer Bibliotheksturm, Folge 1

/ März 30, 2020

Die „leidige Seuche“. Veit Ludwig von Seckendorff über die Pest und ihre Eindämmung

„(…) aber die Gefahr der leidigen Seuche kommt uns immer näher, und ist wenig Rath zu finden, mann mag bleiben oder ausweichen, scheinet wohl, daß es nach und nach weiterkommen werde, mann muß Gott stille halten. Unterdeßen liegt Handel und Wandel sehr darnieder, und werden alle Geschäffte verhindert (…).“ (1)

Brief von Veit Ludwig von Seckendorff an seine Schwägerin.

In diesem Brief an seine Schwägerin Agnes Magdalene von Teutleben beschreibt der Staatsmann und Theoretiker Veit Ludwig von Seckendorff (1626-1692) den Ausläufer einer Pandemie, die Ende der 1670er Jahre im Osmanischen Reich ihren Anfang nahm und 1679 in Wien vermutlich mehr als 10.000 Menschen das Leben kostete. Nun war die Pest über Böhmen ins Reich vorgedrungen. Die Zeitgenossen registrierten diese Ausbreitung und ergriffen entsprechende Vorkehrungen: Bereits Anfang des Jahres 1680 schrieb Seckendorff seiner Schwägerin, dass aus Böhmen niemand mehr nach Sachsen hineingelassen werde.
Neben solchen Grenzschließungen wurden weitere Maßnahmen ergriffen, die uns in unserer gegenwärtigen Situation bedrückend aktuell erscheinen: Im folgenden Jahr 1681 berichtete Seckendorff von der Messe in Naumburg, dass sich aus Furcht vor der Seuche nur wenige Besucher von außerhalb eingefunden hatten. „Handel und Wandel“ lagen also weiterhin darnieder. Doch nicht nur Furcht, sondern konkrete behördliche Anweisungen lagen dem Besucherschwund zugrunde. Den Bürgern der Stadt Erfurt etwa war der Besuch der Leipziger und Naumburger Messe zu dieser Zeit verboten. Die Stadt hatte sich durch diese rigorose Abschottung lange vor der Pest schützen können. Auch die Universitäten waren damals wie heute betroffen: Die Universität Jena verlegte im Jahr 1679 ihren Lehrbetrieb ins pestfreie Saalfeld. Der vielbeschworene Flickenteppich des Alten Reiches erwies sich in dieser Situation als handlungsfähig. Die verschiedenen Territorien und Fürsten in Thüringen arbeiteten zusammen, um zum Beispiel infizierte Dörfer militärisch abzuriegeln.

Porträt von Veit Ludwig von Seckendorff

Der Briefwechsel Veit Ludwig von Seckendorffs mit seiner Schwägerin Agnes Magdalene von Teutleben ist Teil der Korrespondenzen und Lebenszeugnisse Seckendorffs, die zur Zeit an der Forschungsbibliothek Gotha erschlossen werden. Die etwa 7900 Dokumente aus über 30 bestandshaltenden Institutionen werden in den nächsten Jahren in der Forschungsdatenbank Kalliope der Staatsbibliothek Berlin der Forschung zugänglich gemacht.
Die hier vorgestellten Passagen zeigen den Wert von Seckendorffs Nachlass in Hinblick auf die Alltagsgeschichte und die Geschichte des privaten Lebens in der Frühen Neuzeit. Krankheit und Seuchen sind Bestandteil des Lebens und Gegenstand in den Briefen. Denn nicht nur die großen Pandemien greifen in das Leben der Familie Seckendorff ein. 1677 brechen in Seckendorffs Haus die Masern aus, fünf Familienmitglieder erkranken. Im Jahr darauf leiden die Schwägerin Agnes Magdalena und ihre Kinder an der Ruhr, gleichzeitig bedeuten Viehseuchen für den Gutsbesitzer Seckendorff erhebliche wirtschaftliche Einbußen.
Die Maßnahmen gegen solche ansteckende Krankheiten waren damals bereits die gleichen wie heute, und sie waren damals so sinnvoll wie heute. Um die gegenwärtige Ausbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen, bleibt auch die Forschungsbibliothek Gotha für einige Zeit geschlossen.

(1) Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Altenburg. Familienarchiv Seckendorff, Nr. 1060, Seckendorff an seine Schwägerin Agnes Magdalene von Seckendorff, geb. Teutleben, Zeitz 03. August 1680.

Verfasser: Dr. des. Jacob Schilling, 28. März 2020

Quellen und Literatur:

Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Altenburg. Familienarchiv Seckendorff, Nr. 1060, Bl. 58r–59v: Seckendorff an Agnes Magdalena von Seckendorff, Zeitz 03.08.1679.
Peter Lange, Thomas Nitz: Die letzte Pest in Thüringen (1681–1684), in: Blätter des Vereins für Thüringische Geschichte e.V. Jahrgang 13 (2003) H.2, S. 6–13.

 

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