„Verbum Domini manet in aeternum“ – Die Entstehung eines neuen Images für die reformatorische Schutzpolitik Friedrichs des Weisen 1522

/ Oktober 31, 2022

Im Laufe des Jahrs 1522 verstärkte sich zunehmend der Druck des Kaisers, des Papstes und einer mächtigen Fraktion der Reichsstände auf Kurfürst Friedrich von Sachsen (1463–1525), gegen den Wittenberger Theologen Martin Luther vorzugehen, wie es das Wormser Edikt vorsah. Kaiser Karl V. (1500–1558) hatte dieses Dekret am 25. Mai 1521 erlassen, das Luther zum Ketzer erklärte und dessen Verhaftung forderte, damit ein Prozess gegen ihn eingeleitet werden konnte. Es verbot auch Luthers Schriften. Gleichzeitig scheute der Kaiser eine direkte Konfrontation mit dem mächtigen sächsischen Kurfürsten. So konnte Friedrich der Weise die Umsetzung des Edikts vereiteln. Sein politischer Rivale, Herzog Georg von Sachsen (1471–1539), forderte jedoch seit Anfang 1522 unnachgiebig den Vollzug des Edikts. Für sein eigenes Territorium erließ er repressive Maßnahmen gegen diejenigen, die ihre Ordensgemeinschaften verließen oder evangelische Predigten und Gottesdienste öffentlich förderten. Die von Georg angeführte politische Front strebte danach, das Wormser Edikt in den Rezess des bevorstehenden Nürnberger Reichstags einzubeziehen, um dessen Durchsetzung im gesamten Reich besser zu gewährleisten.

Abb. 1: Das frühere Bildnis von Friedrich dem Weisen auf einer Medaille (1507)

Abb. 2: Das spätere Bildnis von Friedrich dem Weisen (1522)

Offenbar in Reaktion auf diese akut gewordene politische Lage änderte Kurfürst Friedrich sein öffentliches Erscheinungsbild. Der Hofmaler Lucas Cranach d.Ä. (1472–1553) hatte 1507 ein Bildnis des Kurfürsten entworfen, das durch die weite Verbreitung in Gemälden, Graphiken, Medaillen und anderen Medien ikonisch wurde (Abb. 1). Dabei hatte Cranach nicht nach einem realistischen Abbild gestrebt. Stattdessen reduzierte er die individuelle Physiognomie auf ihre wesentlichen Merkmale und umriss diese scharf, um dem Bild einen emblematischen Charakter zu verleihen. Im neuen stereotypischen Bildnis (Abb. 2) trug Friedrich nicht mehr eine Kalotte aus Drahtgeflecht, sondern ein modisches Barett. Sein Bart wurde durch einen Schnurrbart ergänzt. Während Friedrich auf dem vorherigen Bild meist mit einem ruhigen, meditativen Gesichtsausdruck ausgestattet war, in dem er in die Ferne blickte, erschien er im neuen Bildnis streng und entschlossen, wobei sein Blick geradeaus gerichtet war. Außerdem hielt der Kurfürst keinen Rosenkranz mehr in den Händen, ein Andachtsmittel, das in Luthers neuer Theologie obsolet wurde.

Das neue Bildnis war Teil einer größeren Kampagne zur Selbststilisierung des Kurfürsten. Gleichzeitig suchten Friedrich und sein Bruder Johann (1468–1532) nach einem neuen Wahlspruch für ihre Dynastie. Von den Vorschlägen des Hofkaplans und Sekretärs Georg Spalatin (1484–1545) einigten sich die Fürstenbrüder auf den Vers „Verbum Domini manet in aeternum“ (Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit; Jes 40,8; Petr 1,25). An und für sich war dies natürlich eine Aussage, der sich alle Christen anschließen würden. Gleichzeitig impliziert sie, dass das Wort Gottes verdunkelt werden kann. Wenn dies der Fall wäre, müsste es neu offenbart werden. Darüber hinaus war die Wahl eines Verses, der das Wort in den Mittelpunkt stellte, von Bedeutung, denn Luther betrachtete die Heilige Schrift bekanntlich als die entscheidende Autorität in allen religiösen Fragen. In diesem Sinne bekräftigte das Motto das Engagement der Fürsten für die umstrittene Reformbewegung der Wittenberger Professoren.

Abb 3.: Werkstatt Lukas Cranachs d.Ä.

Dass diese Anspielungen beabsichtigt waren, belegt eine kolorierte Federzeichnung, die die vorgeschriebene Winterkleidung am kursächsischen Hof 1522 dokumentiert (Abb. 3). Der Wahlspruch wurde in der abgekürzten Form „V D M I Æ“ auf den rechten oberen Ärmel der Gewänder genäht. Der Begleittext zur Zeichnung erklärt, dass der Wahlspruch in diesem Winter zum ersten Mal verwendet wurde und dass Luther vor fünf Jahren, also 1517, zu schreiben und zu predigen begann und das göttliche Wort erneut zutage förderte.

Der sächsische Kurfürst ließ in der Reichsstadt Nürnberg eine Medaille prägen, die auf der Vorderseite sein jüngst geschaffenes Bildnis und auf der Rückseite den neuen Wahlspruch trägt (Abb. 2). Zwischen Mai 1522 und Januar 1523 wurden über 15.000 Schreckenberger und etwa 600 goldene Groschen geprägt, was eine weite Verbreitung der Münze sicherstellte. Die vergoldeten und die in reinem Gold geprägten Münzen waren möglicherweise als diplomatische Geschenke für die Reichsstände und ihre Vertreter auf dem erwähnten Nürnberger Reichstag sowie für andere einflussreiche Persönlichkeiten gedacht.

Daniel Gehrt

Daniel Gehrt ist promovierter Historiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Erschließung frühneuzeitlicher Handschriften an der Forschungsbibliothek Gotha.

Literatur

  • Carl C. Christensen: Princes and Propaganda. Electoral Saxon Art of the Reformation. Kirksville, MO 1992, S. 28f.
  • Daniel Gehrt: Pictorial Renaissance Bookbindings of the German Reformation and the Domestication of Lucas Cranach’s Iconography. An Overlooked Medium of the German Reformation, demnächst in: Archiv für Reformationsgeschichte 113 (2022).
  • Ingetraut Ludolphy: VDMIAE: Ein Reim der Reformationszeit, in: Jahrbuch der Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung 33 (1982), S. 279–282.
  • Sascha Salatowsky (Hrsg.): Im Kampf um die Seelen. Glauben im Thüringen der Frühen Neuzeit. Gotha 2017, S. 146f.
  • Frederick John Stopp: „Verbum Domini Manet in Aeternum”. The Dissemination of a Reformation Slogan, 1522–1904, in: Siegbert Salomon Prawer, Richard Hinton Thomas und Leonhard Forster (Hrsg.): Essays in German Language, Culture and Society. London 1969, S. 123–135.
  • Wilhelm Ernst Tentzel: Sächsisches Medaillen-Cabinet/ Von Gedächtnüß-Müntzen und Schau-Pfenningen/ Welche Die Durchlauchtigsten Chur- und Fürsten zu Sachsen Ernestinisch- und Albertinischer Haupt-Linien seint zeyhundert Jahren haben prägen und verfertigen lassen …, Tl. 1. Gotha 1705, S. 29–32.
  • Sina Westphal: Die Korrespondenz zwischen Kurfürst Friedrich dem Weisen von Sachsen und der Reichsstadt Nürnberg. Analyse und Edition. Frankfurt am Main 2011, S. 134–142.

Abbildungsnachweis

  1. Das frühere Bildnis von Friedrich dem Weisen auf einer Medaille. Tentzel: Sächsisches Medaillen-Cabinet, Tl. 1, Tafel 3.
  2. Das spätere Bildnis von Friedrich dem Weisen mit neuem Wahlspruch auf einer Medaille. Tentzel: Sächsisches Medaillen-Cabinet, Tl. 1, Tafel 4.
  3. Werkstatt Lukas Cranachs d.Ä.: Winterkleidung für den kursächsischen Hof 1522 mit Initialen des neuen Wahlspruchs auf dem Ärmel. FB Gotha, Chart. A 233, Bl. 8r.
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