Ein Bild von der Welt . . .

/ April 20, 2023

Die „Cosmographia“ des alexandrinischen Gelehrten Claudius Ptolemäus

Bald beginnt wieder die Reisezeit. Eine facettenreiche inhaltliche Einstimmung dazu bietet die aktuelle Ausstellung „Vom Fremden erzählen. Reiseberichte aus fünf Jahrhunderten“ (16. April bis 11. Juni 2023) in der Forschungsbibliothek Gotha. Darin wird auch der Frage nachgegangen, welches Bild von der Welt zeitgenössisch greifbar war. In seiner Bedeutung kaum zu überschätzen ist die Transferleistung, die im 15. Jahrhundert mit der Übersetzung und den ersten Drucken des geographischen Handbuchs „Cosmographia“ des alexandrinischen Gelehrten Claudius Ptolemäus (um 90 – 169 n. Chr.) aus dem Griechischen ins Lateinische geleistet wurde.

Die „Cosmographia“ bzw. die „Geographike hyphegesis“, de facto eine Einführung in die darstellende Erdkunde, wurde 1482 erstmals außerhalb Italiens gedruckt – in Ulm, von der Offizin des Leonhard Holl. Bis zu diesem Großprojekt, welches der Druckerei allerdings nicht den gewünschten Erfolg einbrachte, war es ein langer Weg.

Abb.: Weltkarte in: Claudius Ptolemäus, Cosmographia, Ulm 1482 (FB Gotha, Mon. typ. 2° 1482 9 (Ulm 1482, Offizin Leonard Holl)

Ptolemäus zeichnete in seinem Werk die damals bekannte Welt und ihre Bewohner auf. Zwar vertrat er fälschlicher Weise ein geozentrisches Weltbild, jedoch sind seine Versuche, die Form der Erde in einer Kartenprojektion darzustellen, bis dato ohne Beispiel. Als Bezugspunkt für die Längengrade wählte er den bis in das 19. Jahrhundert hinein verwendeten sog. Ferro-Meridian durch die Kanarischen Inseln. Seine Definition der Breitengrade ist bis heute gültig. Ptolemäus stützte seine Ausführungen z. T. auf unsicher überlieferte Informationen oder Legenden und schloss durch seine fehlerhaften Berechnungen auf einen zu geringen Erdumfang – einer der Gründe, weshalb Kolumbus glaubte, in Indien gelandet zu sein.

Die „Cosmographia“ wurde zunächst in griechischer Sprache geschrieben, weshalb sie vor der Übersetzung ins Lateinische durch den Florentiner Gelehrten Giacomo de Scarperia um 1409/10 im Westen mangels Sprachkenntnissen nicht wahrgenommen wurde. Dem Astrologen und Kartographen Nicolaus Germanus (um 1420 – 1490) kam bei der Verbreitung des Werks eine zentrale Rolle zu, zumal er das ptolemäische Kartenwerk seit 1464 in Florenz in mehreren Redaktionsstufen neu erstehen ließ. In Italien zirkulierten rasch Abschriften der lateinischen Fassung, der früheste Druck erschien 1477 in Bologna mit Kupferstichen, die Taddeo Crivelli zugeschrieben sind.

Zahlreiche weitere Auflagen sollten bis ins 16. Jahrhundert hinein nördlich und südlich der Alpen folgen. Allein für den Ulmer Druck von 1482 ist die Vorbestellung von 100 Exemplaren durch den Drucker und Buchhändler Peter Drach aus Speyer überliefert. Alle Drucke gehen auf Ptolemäus zurück, zeigen jedoch die Anwendung verschiedener Projektionsverfahren. Auch der Druck einer deutschen Übersetzung der „Cosmographie“ durch Georg Stuchs 1493 in Nürnberg belegt das enorme Interesse an dem Werk bzw. an Informationen über die Länder der Erde.1Meine 1982; Stückelberger 2006, S. 9 – 30; Worm 2021, S. 422 – 427, bes. 424.

Monika E. Müller

Monika Müller ist habilitierte Kunsthistorikerin und Leiterin der Abteilung Sammlungen und Bestandserhaltung, zudem Kuratorin der aktuellen Jahresausstellung „Vom Fremden erzählen – Reiseberichte aus fünf Jahrhunderten“ in der Forschungsbibliothek Gotha.

Informationen zur Ausstellung mit Link um Flyer

Literatur

  • Karl-Heinz Meine (Hg.), Die Ulmer Geographia des Ptolemäus von 1482, Weißenhorn 1982.
  • Alfred Stückelberger/Gerd Graßhoff (Hg.), Ptolemaios, Handbuch der Geographie (griechisch-deutsch), Basel 2006.
  • Andrea Worm, Geschichte und Weltordnung. Graphische Modelle von Zeit und Raum in Universalchroniken vor 1500, Berlin 2021.
Share this Post