Ein früher Bestseller

/ Mai 3, 2023

Bernhard von Breydenbachs „Reise ins Heilige Land“

Bernhard von Breydenbach gehörte seit 1484 zum engsten Kreis der Kleriker um den Mainzer Erzbischof Berthold. Zwischen dem 25. April 1483 und Ende Januar 1484 unternahm er mit fünf Teilnehmern eine Pilgerfahrt – darunter auch zeitweilig der Ulmer Dominikaner Felix Fabri und der Utrechter Maler Erhard Reuwich, auf den die Holzschnitte im Pilgerbericht zurückgehen. Die Reise führte über die Alpen, Venedig und per Schiff vorbei an Corfu, Rhodos und Zypern nach Jaffa und Jerusalem ins Heilige Land sowie schließlich auf die Halbinsel Sinai. Über Kairo, Alexandria und entlang der Balkanküste ging es dann wieder zurück nach Venedig.1Sollbach 1990; Mozer 2010, S. XIII; Klußmann 2012, S. 29 – 32.

Breydenbach umreist sein Werk, das z. T. einer politischen Schrift über die Lage im Nahen Osten gleichkommt,2Klußmann 2012, S. 103. im Widmungsschreiben so: „Das Buch enthält eine Beschreibung der Länder einschließlich der Sitten ihrer Einwohner […]; damit ich aber auch anderen christgläubigen Menschen mit diesem bescheidenen Werk dienen kann, habe ich […] die beiden Reisen in einem kleinen Buch zusammengefasst. Viel hat man diese Form zuvor noch nicht gesehen, und vielleicht hat man auch Schrift und Bild noch nicht zusammen drucken lassen. Doch sollte nicht alleine das seelische Auge, also das Verstehen der „Schrift “, sondern auch das leibliche Sehen mit Darstellungen erfreut und ergötzt werden, damit es den Wunsch anderer Menschen, eine ebensolche Reise zu unternehmen, umso kräftiger befördere […]“.3Klußmann 2012, S. 7; Breydenbach 1486, Bl. 2v.

Abb. 1: Bernhard von Breydenbach, Peregrinatio in terram sanctam (Mon. typ. 1486 2°/13, Bl. 12): Venedig

Breydenbach war vor Ort und maß dem Sehen einen großen Stellenwert bei. Dennoch sind Text und Bild nicht authentisch – ein Umstand, der auch für andere Reiseberichte bis weit in die Frühe Neuzeit hinein zutreffen kann. Der Kleriker bediente sich für sein Werk zahlreicher Quellen, darunter der Bibel, der Schriften der Kirchenväter, des Aristoteles, Plinius d. Ä., Seneca, Thomas von Aquin, Vincenz von Beauvais oder anderer Reiseberichte wie dem des Hans Tucher. Die Anleihen betreffen z. B. die Beschreibung der Reisestationen und der Heiltümer Venedigs oder die arabischen Wortlisten. Abschließend überarbeitete der Mainzer Dominikaner Martin Roth das Werk.4Mozer 2010, S. XXIV – XXVI.

Auch Reuwichs Holzschnitte changieren hinsichtlich der Wiedergabequalität zwischen Augenzeugenschaft, der Verwendung älterer, wohl erworbener Vorlagen und dem Einfluss enzyklopädischen Wissens. Nur so lassen sich z. B. die Illustration eines Einhorns und die monumentalen Stadtansichten von Venedig (Abb. 1) und Jerusalem erklären.5 Niehr 2001, S. 282 – 289; Timm 2006, S. 135 – 144 (mit Verweis auf Jacopo Bellini), 357 – 361.

Abb. 2: Konrad Grünemberg, Pilgerfahrt ins Heilige Land (Chart. A 541, Bl. 7v–8r): Venedig

Der Druck war ein Erfolg. Insgesamt 553 Exemplare verschiedener Auflagen und Übersetzungen sind bekannt.6Timm 2006, S. 2. Auch Konrad Grünemberg zog Breydenbachs Werk als Vorlage für seinen Pilgerbericht7FB Gotha, Chart. A 541: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:urmel-ufb-152779-8-1949 (Zugriff: 02.05.2023); allgemein für die Handschrift: Eisermann 2022, S. 108-116. hinzu (Abb. 2). Hans von Sternberg beschaffte sich die Ausgabe auf Rhodos, um sie in seinem Bericht zuweilen nur noch lapidar zu bestätigen. Noch 1591 lobte Hilarius Pyrckmair Breydenbach in seiner „Ars peregrinandi“.8Pyrckmair 1591, Bl. 10v.

Monika E. Müller

Monika Müller ist habilitierte Kunsthistorikerin und Leiterin der Abteilung Sammlungen und Bestandserhaltung, zudem Kuratorin der aktuellen Jahresausstellung „Vom Fremden erzählen – Reiseberichte aus fünf Jahrhunderten“ in der Forschungsbibliothek Gotha.

Zitierte Quellen

  • Bernhard von Breydenbach, Peregrinatio in terram sanctam. Mainz (Erhard Reuwich), 1486.
    Inkunabel (GW 5075). FB Gotha, Mon. typ. 2° 1486/13. Provenienz: 1600 Geschenk Volradius Czochus an Herzog Friedrich Wilhelm von Sachsen-Weimar (1562 – 1602)
  • Hilarius Pyrckmair, Commentariolous de Arte Apodemica, Nürnberg 1591.

Verwendete Literatur

  • Andreas Klußmann, In Gottes Namen fahren wir. Die spätmittelalterlichen Pilgerberichte von Felix Fabri, Bernhard von Breydenbach und Konrad Grünemberg im Vergleich, Saarbrücken 2012.
  • Isolde Mozer (Hrsg.), Bernhard von Breydenbach. Peregrinatio in terram sanctam. Eine Pilgerreise ins Heilige Land. Frühneuhochdeutscher Text und Übersetzung, Berlin/New York 2010.
  • Klaus Niehr, „als ich das selber erkundet vnd gesehen hab“. Wahrnehmung und Darstellung des Fremden in Bernhard von Breydenbachs Peregrinationes in Terram Sanctam und anderen Pilgerberichten des ausgehenden Mittelalters, in: Gutenberg Jahrbuch 76 (2001), S. 269 – 300.
  • Gerhard E. Sollbach, In Gottes Namen fahren wir. Die Pilgerfahrt des Felix Faber ins Heilige Land und zum St. Katharina-Grab auf dem Sinai A. D. 1483, Essen 1990.
  • Frederike Timm, Der Palästina-Pilgerbericht des Bernhard von Breidenbach von 1486 und die Holzschnitte Erhard Reuwichs, Stuttgart 2006.

Weitere Informationen unter https://uni-erfurt.de/go/fbg-ausstellungen und beim heutigen Vortrag.

VORTRAG

Mittwoch, 3. Mai | 18.15 Uhr | Herzog-Ernst-Kabinett, Schloss Friedenstein
„Fremde Welten im Bild. Sehen und Darstellen um 1500“
Reisende um 1500 nahmen sogar Künstler mit in ferne Länder. Die nach der Rückkehr verfassten Reiseberichte enthalten jedoch nicht selten Darstellungen, die mit dem vor Ort Gesehenen nur bedingt etwas zu tun haben. Über die Hintergründe erfahren Sie mehr von Prof. em. Dr. Klaus Niehr (Osnabrück).

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