Totentanzbücher in der Forschungsbibliothek Gotha
„Früher ein Arzt, ist Diaulus jetzt ein Leichenbestatter: Leichenbestatter, wie jetzt, war er auch früher als Arzt.“ So beschrieb der Dichter Martial im 1. Jahrhundert den Berufswechsel eines gewissen Diaulus. Verdiente er seinen Lebensunterhalt zunächst als Arzt, kümmert er sich nun um sterbliche Überreste. Offensichtlich hatte er als Heilkünstler wenig Erfolg und muss nun die Missgeschicke seiner ehemaligen Kollegen korrigieren.
In der Antike war also die Nähe von Tod und Leben, Krankheit und Gesundheit und die Rolle, die der Arzt dabei spielte, bekannt. Dieses Motiv von allgegenwärtiger Vergänglichkeit zieht sich durch Totentänze des Mittelalters bis in die Frühe Neuzeit, als es vom berühmten Maler Hans Holbein d. J. (1497–1543) neu bearbeitet wurde. 1538 erschien sein Totentanz in dem Buch „Simulachres & historié es faces de la mort“. Die Darstellungen des Totentanzes, die meist den als Skelett dargestellten Tod und Personen zeigen, bestehen aus biblischen Szenen und Sterbemomente verschiedener Stände und Berufe. Unter den Bildern fanden sich kleine Epigramme, die die Szene kommentierten. Über den Bildern sind lateinische Bibelzitate abgedruckt, die zum Bild passen.
Holbeins Totentanz zeigt auch einen Arzt, der dem Tod begegnet. Dieses Bild findet sich kopiert und leicht abgewandelt in den „Imagines mortis“ von Gilles Corrozet aus dem Jahr 1567.
[Abb. 1: Gilles Corrozet: Imagines mortis. His accesserunt epigrammata, è Gallico idiomate à Georgio Aemylio in latinum translata. Ad haec, medicina animae, tam ijs, qui firma, quàm qui adversa corporis valetudine praediti sunt, maximè necessaria. Köln 1567. FB Gotha, Chart B 1009, Bl. 81v.]
Das Bild ist gegenüber Holbeins Version gespiegelt und in Details abgeändert, aber in seiner Komposition sehr ähnlich. Der Tod begleitet einen Patienten zu dem Arzt und reicht dem Medicus ein Uringlas. Das Buch, welches der Arzt studiert, weist ihn als gebildeten Mann aus. Doch ist gegen den Tod kein Kraut gewachsen und so lautet der Ratschlag der Bibel, dass sich der Arzt selbst heilen solle, bevor er die Heilung anderer beginne. Dennoch stellt sich die Frage, ob der Tod nun für den Arzt oder seinen Patienten gekommen ist. Klar ist nur, dass die Zeit in der Sanduhr weiter abläuft.
1650 erschien der „Sterbensspiegel“, in dem sich ein weiterer Totentanz findet. Rudolf Meyer stellte die Kupferstiche für diesen Band her und ließ sich bei den Darstellungen der einzelnen Motive von Holbein inspirieren. In diesem Bild ist im Hintergrund eine Frau zu sehen, die einen Urinalschutzbehälter trägt. Vor ihr ist der Tod eingetreten und steht dem Arzt gegenüber. In den Händen des Skeletts findet sich ein Totenschädel und Laub. Diese Gegenstände werden dem Arzt präsentiert. Die Reaktion des Mediziners wirkt hilflos zurückweisend. Letztendlich ist der Arzt persönlich auch dem Tod ausgeliefert, was ihm der Tod durch das Gedicht unterhalb des Bildes verständlich macht.
[Abb. 2: Rudolf Meyer: Sterbensspiegel/ das ist sonnenklare Vorstellung menschlicher Nichtigkeit durch alle Ständ’ und Geschlechter: vermitlest 60. dienstlicher Kupferblätteren/ lehrreicher Uberschrifften/ und beweglicher zu vier stimmen außgesetzter Todtengesängen. Zürich 1650. FB Gotha, P 8° 11653.]
Beide Bilder zeigen, dass der Tod als Gegenspieler des Arztes auftritt. Die Untersuchungsmethoden, dargestellt durch das Uringlas, und die Behandlungsmethoden, Kräuter, können den Tod nicht verhindern. Letztlich gilt: „Dem Todt zu Wehren ist vmb sonst“.
Das Totentanz-Motiv spiegelt die Vanitas-Symbolik der Frühen Neuzeit wider. Sie findet auch ihren Niederschlag in der Ausstellung „Eine göttliche Kunst. Medizin und Krankheit in der Frühen Neuzeit“, die vom 14. April bis zum 23. Juni im Spiegelsaal auf Schloss Friedenstein zu sehen sein wird.
Paul Müller, Student der Universität Erfurt, März 2019