Paul Eber: Calendarium historicum mit Einträgen von David Aquila (1540-1614)

/ Januar 22, 2014

Eber_Calendarium_Historicum

Paul Eber, Calendarium Historicum, Wittenberg 1564, FB Gotha, Druck 8° 213. © Universität Erfurt, Forschungsbibliothek Gotha. Zum Link für das Digitalisat auf das Bild klicken.

Seit ihrer Entstehung in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts waren historische Tageskalender ein fester Bestandteil protestantischer Gelehrtenkultur der frühen Neuzeit. Paul Ebers (1511-1569) Calendarium historicum, erstmals 1550 in Wittenberg erschienen, ist zugleich Archetyp und höchst erfolgreicher Vertreter dieser Gattung. Der Druck enthielt biblische und historische Ereignisse sowie die Lebensdaten geistlicher und weltlicher Persönlichkeiten für jeden Tag im Jahr. Darunter blieb Platz für handschriftliche Ergänzungen und persönliche Einträge des jeweiligen Besitzers. Das Exemplar aus dem Besitz des Saalfelder Pfarrers, Dichters und Superintendenten David Aquila (1540-1614), ein Sohn des „Reformators von Saalfeld“ und Tischgenossen Luthers Caspar Aquila (1488-1560), ist ein besonders anschauliches Beispiel für dessen Gebrauchsweise. Zu Beginn seines achten Studienjahres an der Universität Jena, am 8. Februar 1565, setzte der junge Aquila seinen Besitzvermerk auf das Titelblatt der fünften Auflage des Calendariums von 1564. Von da an fügte er auf nahezu jeder Seite weitere historische Daten, autobiographische und zeitgeschichtliche Informationen in lateinischer Sprache hinzu. Die Einträge reichen von biblischer und antiker Historie über den Geburtstag des Vaters bis hin zu den jährlichen Erträgen seiner Weinernte und vermitteln so ein Bild dessen, was für erinnerungswürdig befunden wurde. Der letzte datierte Eintrag stammt aus dem Jahr 1612. Von besonderem Interesse sind Aquilas Notizen zum Geschehen an der Universität Jena. So notierte er die Umstände seiner Deposition, einem akademischen Initiationsritus, sowie Informationen zu einzelnen Professoren, seinem Examen und der anschließenden Promotion. Aquila kam mit dieser Praxis einer ausdrücklichen Aufforderung Ebers im Vorwort seines Kalenders nach. Auf diese Weise sollte die eigene Lebensgeschichte zu heilsgeschichtlich relevanten Ereignissen und den Lebensdaten vorbildlicher Personen in Beziehung gesetzt werden. Die synoptische Darstellung im Kalender machte diesen Zusammenhang, der als Zeichen der Vorsehung Gottes (providentia Dei) gedeutet wurde, augenfällig und für das eigene Tagesgedenken nutzbar.
Sowohl Christian Schlegel als auch Georg Biundo zogen das Calendarium Anfang des 18. und Mitte des 20. Jahrhunderts für ihre Biographien über Caspar Aquila heran, ohne dabei einen Hinweis auf den Standort des Werks zu geben. Ein Schenkungsvermerk aus dem Jahr 1827 weist den Ulmer Gymnasialprofessor, Stadtbibliothekar und Kirchenhistoriker Georg Veesenmeyer (1760-1833) als zwischenzeitlichen Besitzer aus. Möglicherweise wurde Aquilas Exemplar im Zuge der Auflösung von Veesenmeyers umfangreicher Bücher- und Handschriftensammlung nach dessen Tod von der Herzoglichen Bibliothek erworben.
Mit der Veröffentlichung des Digitalisats am 22. Januar 2014 erinnert die Studienstätte Protestantismus an den 400. Todestag David Aquilas.
(Text: Philipp Knüpffer)

Literatur
Georg Biundo: Kaspar Aquila. Ein Kämpfer für das Evangelium in Schwaben und in der Pfalz, in Sachsen und Thüringen. Veröffentlichungen des Vereins für pfälzische Kirchengeschichte 10. Grünstadt/Pfalz 1963.
Hans-Peter Hasse: Paul Ebers „Calendarium historicum“ (1550), in: Paul Eber (1511-1569). Humanist und Theologe der zweiten Generation der Wittenberger Reformation. Hrsg. von Daniel Gehrt und Volker Leppin. Leipzig, im Druck.
Philipp Knüpffer: Protestantisches Tagesgedenken im Historischen Kalender. David Aquila (1540-1614). In: Aus erster Hand. 95 Porträts zur Reformationsgeschichte. Aus den Sammlungen der Forschungsbibliothek Gotha. Begleitband zur Ausstellung der Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha, 5. April bis 31. Mai 2014. Hrsg. von Daniel Gehrt und Sascha Salatowsky. Gotha, im Druck.
Christian Schlegel: Ausführlicher Bericht von dem Leben und Tod Caspari Aquilae. Mit einer Vorrede von Ernst Salomon Cyprian, Leipzig und Frankfurt 1737.
Karl Gustav Veesenmeyer: Art. Georg Veesenmeyer. In: ADB 39 (1895), S. 519-523; Onlinefassung: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118626345.html?anchor=adb

Share this Post