Forschungsbibliothek Gotha gedenkt Helmut Claus
Die Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt gedenkt ihres langjährigen und hochgeschätzten Direktors Dr. Helmut Claus, der am 26. Juli 2020 in Gotha verstorben ist. Er hat über viele Jahrzehnte das Geschick der Bibliothek an führender Stelle geprägt.
Helmut Claus, 1933 in Chemnitz geboren, studierte von 1952 bis 1956 Slawistik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Anschließend arbeitete er im Böhlau-Verlag in Weimar als Lektor. Bereits 1959 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der damaligen Landesbibliothek Gotha auf Schloss Friedenstein. Er betreute die Sammlung der Inkunabeln und Alten Drucke, die 1956 zusammen mit den Beständen der alten herzoglichen Bibliothek aus der Sowjetunion nach Gotha zurückgekehrt waren. Sein besonderes Interesse galt von Anfang an den Slavica. Die systematische Bearbeitung dieses Bestandes mündete 1961 in die Herausgabe eines voluminösen Katalogs mit über 3.800 Einträgen. Die Geschichte des Buchdrucks blieb von nun an das Hauptarbeitsgebiet von Helmut Claus. 1962 wurde er zum stellvertretenden Direktor der Bibliothek ernannt. Um seine bibliothekarischen Kompetenzen zu erweitern, studierte Helmut Claus im Fernstudium Bibliothekswissenschaft an der Humboldt-Universität in Berlin, das er 1966 mit dem Staatsexamen abschloss. In seiner Hausarbeit beschäftigte er sich mit dem zum Bestand der Landesbibliothek gehörenden Nachlass und der Bibliothek des bedeutenden lutherischen Theologen Johann Gerhard (1582–1637). Diese Arbeit wurde 1968 in der Reihe „Veröffentlichungen der Landesbibliothek Gotha“ veröffentlicht. Es folgte 1973 die Promotion im selben Fachgebiet mit der Dissertation „Untersuchungen zur Geschichte des Leipziger Buchdrucks von Luthers Thesenanschlag bis zur Einführung der Reformation im Herzogtum Sachsen (1517–1537)“. Auf diesem Felde war Helmut Claus auch in den nächsten Jahren tätig, wie seine zahlreichen Bestandsverzeichnisse zu den Drucken des 16. Jahrhunderts belegen. Besonders zu erwähnen ist hier die zweibändige Lutherbibliographie, die er zusammen mit Josef Benzing 1989 herausgab.
1978 wurde Helmut Claus zum Bibliotheksrat ernannt. Von 1981 bis zu seinem Ruhestand 1996 wirkte er als Direktor der Bibliothek. Die politische Wende von 1989 brachte neue strukturelle Veränderungen mit sich. Mit der Neugründung des Freistaats Thüringen wurde die Bibliothek 1991 unter der neuen Benennung „Forschungs- und Landesbibliothek Gotha“ dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst unterstellt und ihr Direktor im Amt bestätigt. Das Ziel von Helmut Claus war es, die Bibliothek im Unterschied zu den historischen Bibliotheken in Wolfenbüttel und Weimar als außeruniversitäre Studienstätte und zugleich als wissenschaftliche Regionalbibliothek zu führen. Mit der Mitarbeit an den beiden großen Erschließungsprojekten VD16 und VD17 ebnete er früh jene Wege, welche die organisch gewachsene Bibliothek aus ihrer, wie er es einmal in einem seiner Aufsätze nannte, „ungünstigen Randlage“ in die Mitte Deutschlands führten. Die ausgezeichneten Bestände der Bibliothek wurden endlich weltweit sichtbar, und so konnte sich die Bibliothek als eine Einrichtung, die erschließt und forscht, die Forschung ermöglicht und fördert, fest etablieren.
Erst in seinem Ruhestand war es ihm möglich, sein bedeutendstes Werk zu vollenden. Nachdem ihm bereits 1966 die Aufgabe der Melanchthon-Bibliographie übertragen worden war, konnte er dieses umfangreiche Projekt endlich 2014 zum Druck befördern. Auf vorbildliche Weise werden hier etwa 3.850 Melanchthon-Drucke bis zum Jahr 1560, dem Todesjahrs Philipp Melanchthons (1497–1560), in drei Bänden beschrieben. Helmut Claus hat mit dieser Bibliographie auch die Sammlungs- und Forschungsgeschichte Gothas zu Philipp Melanchthon, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht, um eine wichtige Facette erweitert, bewahrt die Bibliothek doch heute eine der bedeutendsten europäischen Sammlungen von Melanchthoniana. In Anerkennung dieser hervorragenden Forschungen wurde Helmut Claus 2018 mit dem Internationalen Melanchthon-Preis der Stadt Bretten geehrt. Die Forschungsbibliothek Gotha widmete ihm ihre Publikation „Melanchthon in Gotha. Eine Sammlungs- und Forschungsgeschichte“ (2016).
Die Forschungsbibliothek Gotha wird Helmut Claus stets ein ehrendes Andenken bewahren. Die Liste seiner Verdienste ist lang. Besonders am Herzen lag ihm die Erschließung der historischen Sammlungen an Handschriften und Drucken, um deren geschichtliche Bedeutung und einmalige Zusammensetzung er wusste. Auch förderte er sehr bewusst die öffentlichkeitswirksame Arbeit der Bibliothek, die er mit zahlreichen Veranstaltungen, mit Vorträgen, Ausstellungen und Kolloquien, in Gotha und weit darüber hinaus bekannt machen wollte. Hierbei suchte er gezielt nach Kooperationen, so bei der Ausstellung zu Lukas Cranach d.Ä., die 1994 gemeinsam mit dem Schlossmuseum durchgeführt wurde.
Helmut Claus zeichnete eine hohe bibliothekarische und wissenschaftliche Kompetenz aus. Hoch geschätzt bei den Kolleginnen und Kollegen wirkte er stets im Sinne der Bibliothek als einer Institution, deren Bedeutung immer wieder herauszustellen war. In schwierigen Zeiten ist es ihm gelungen, die Bibliothek auf Kurs und im Gespräch zu halten. Wir sind Helmut Claus in großer Dankbarkeit verbunden. Seiner Familie gilt unsere tiefe Anteilnahme.