Bildzensur in Petrarcas deutscher Ausgabe des Werkes „De remediis utriusque fortunae“

/ Mai 16, 2019

Die Forschungsbibliothek Gotha und das Institut für die Geschichte der Medizin der Julius-Maximilans-Universität Würzburg unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Michael Stolberg präsentieren gemeinsam noch bis 23. Juni 2019 im Spiegelsaal auf Schloss Friedenstein in Gotha die Ausstellung „Eine göttliche Kunst. Medizin und Krankheit in der Frühen Neuzeit“. Ausgehend von der ungebrochenen Faszination für den menschlichen Körper widmet sich die Ausstellung der Medizin vom 16. bis ins frühe 18. Jahrhundert und fragt, welches medizinische Wissen in dieser Zeit über den Menschen vorlag und wie es in der Praxis realisiert worden ist.

In Vorbereitung dieser Ausstellung bin ich auf eine Illustration gestoßen, die eine Bildzensur aus konfessionellen Gründen enthält. Der berühmte Humanist Francesco Petrarca (1304–1374) verfasste von 1353 bis 1360 seine bedeutende moralphilosophische Schrift De remediis utriusque fortunae (Über die Heilmittel beiderlei Glücks), die aufgrund ihrer zahlreichen Abschriften und Übersetzungen und seit dem späten 15. Jahrhundert auch aufgrund der vielen Drucke eine reiche Rezeption erlebte. 1532 erschien in Augsburg die vorliegende Ausgabe in der deutschen Übersetzung der beiden Humanisten Peter Stahel (verst. 1520) und Georg Spalatin (1484–1545) und unter der Redaktion von Sebastian Brant (1458–1521) unter dem Titel „Von der Artzney bayder Glück/ des gueten vnd widerwertigen“, die mit zahlreichen Holzschnitten eines bis heute unbekannten „Petrarca-Meisters“ versehen worden ist.

Im Jahr 1530 veröffentlichte der spanische Arzt Luis Lobera de Ávila (ca. 1480–1551) die Schrift Vanquete de nobles cavalleros (Bancket der Hofe und Edelleut. Des gesundenn lebens Regiment, Frankfurt/Main 1551), die eine Diätetik, die Beschreibung einer gesunden Lebensweise für Edelleute, enthält. Dazu gehörte nicht nur die bedachte Auswahl gesunder Lebensmittel, sondern auch die Berücksichtigung gesunder Lebensverhältnisse, die Krankheiten wehren sollten. Ávila beschrieb in diesem Zusammenhang auch den Aderlass und gab Hinweise, wie man sich vor der Pestilenz hüten solle bzw. sie bezwingen könne. Die spanische Ausgabe enthält hier einen Holzschnitt, der das innere eines Zimmers zeigt, in dem ein Pestkranker im Bett daniederliegt, dessen Beulen sich geöffnet haben (vgl. http://bdh-rd.bne.es/viewer.vm?id=0000116347&page=1, Bild 151) . Ein am Bett stehende Arzt sowie eine Frau verdecken ihre Nasen, um sich vor dem Gestank zu schützen. Vor dem Bett liegen ein toter Mann und fünf ebenfalls verstorbene Tiere. Im linken Bildhintergrund sind außerhalb des Zimmers die Pestheiligen Sebastian und Rochus zu sehen, die in der katholischen Kirche als Märtyrer und Heilige galten. Genau an dieser Stelle erfolgt nun die Bildzensur in der deutschen Petrarca-Ausgabe von 1532.

Abb. 1: Franciscus Petrarca, Von der Artzney bayder Glück, des guten und widerwertigen. FB Gotha, Poes 4° 417/3 (1), Bl. IIIv

Offensichtlich hat man einige Holzschnitte des  spanischen Bandes zur Diätetik, der ja aus einem ganz anderen Zusammenhang stammte, für die Herstellung der deutschen Petrarca-Ausgabe verwendet. So findet sich das Motiv der Harnschau (vgl. Abb. 1) aus der Petrarca-Ausgabe ebenfalls im spanischen Band (vgl. a.a.O., Bild 158). Da nun in Augsburg jedoch im Jahre 1530 die Confessio Augustana, die grundlegende Bekenntnisschrift der evangelisch-lutherischen Kirche verlesen worden war, die Stadt sich damit der Wittenberger Reformation verschrieben hatte, erschien es dem Drucker Heinrich von Steiner offensichtlich nicht opportun, den Holzschnitt mit den katholischen Heiligen zu veröffentlichen. Kurzerhand tilgte man sie und ließ die entstehende Fläche weiß, was für ein geübtes Auge ein sicherer Hinweis auf eine Zensur gewesen ist (vgl. Abb. 2).

Abb. 2: Franciscus Petrarca, Von der Artzney bayder Glück, des guten und widerwertigen. FB Gotha, Poes 4° 417/3 (1), Bl. CXVIr

Wir haben hier ein weiteres Beispiel für eine konfessionelle Bildzensur, die hier allerdings in dem auf dem ersten Blick unverfänglichen Bereich der Medizin erfolgt ist. Franz Mauelshagen hat in seinem Aufsatz nicht nur auf diese Bildzensur, sondern hat auch auf die konfessionellen Besonderheiten im Zusammenhang mit der Pest hingewiesen (z.B. die ausschließlich katholische Tradition der Pestsäulen und der Prozessionen).

Sascha Salatowsky, 16. Mai 2019

Literatur:

Luis Lobera de Ávila: Vanquete de nobles cavalleros. 1530.

Francesco Petrarca: De remediis utriusque fortunae. Augsburg 1532. FB Gotha, Poes 4° 417/3 (1), 2. Buch, III. Cap., Bl. IIIv.

Walther Scheidig: Die Holzschnitte des Petrarca-Meisters zu Petrarcas Werk Von der Artzney bayder Glück des guten und widerwärtigen, Augsburg 1532. Berlin 1955.

Franz Mauelshagen: Pestepidemien im Europa der Frühen Neuzeit (1500–1800), in: Mischa Meier (Hg.): Pest. Die Geschichte eines Menschheitstraumas. Stuttgart 2005, S. 237–265.

 

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