Bibeln für Gelehrte. Die Sammlung an Polyglotten in der Forschungsbibliothek Gotha

/ Dezember 20, 2020

Notizen aus dem Gothaer Bibliotheksturm, Folge 24

Ein Weihnachtsfest ohne eine Bibel in der Hand ist für viele Christen nicht vorstellbar. Die in ihr enthaltenen Bücher des Alten und Neuen Testaments – mit der in ihr enthaltenen Weihnachtsgeschichte von der Geburt Jesu Christi – bilden die Grundlage des christlichen (bezogen auf das AT auch des jüdischen) Glaubens, wie er sich über die Jahrhunderte hin ausgeprägt hat. Es ist daher kein Wunder, dass Bibeln mit zu den ältesten schriftlichen Überlieferungen in Europa gehören, seien es antike und frühmittelalterliche Handschriften, seien es die Drucke aus dem 15. und 16. Jahrhundert und damit aus der Frühzeit des Buchdrucks. Nichts wurde sorgfältiger und aufwendiger gestaltet als ein Exemplar der Heiligen Schrift. Davon zeugen die wunderschönen Handschriften aus den mittelalterlichen Klöstern, die wir noch heute bestaunen. Die Bibel war und ist für viele das Buch der Bücher. Sie hat bis heute die höchste Auflage aller jemals gedruckten Bücher. Seit langer Zeit wird die Bibel überwiegend in der jeweiligen Landessprache gelesen. Das war über viele Jahrhunderte anders. Die Vulgata, die lateinische Übersetzung des AT aus dem Hebräischen und des NT aus dem Griechischen, prägte die gesamte mittelalterliche Kirche. Darüber wurden die heiligen Ursprachen fast vergessen.

Mit dem Aufkommen des Humanismus ab dem 14. Jahrhundert, der von einer literarischen, philologischen und wissenschaftlichen Neuentdeckung und Wiedererweckung (Renaissance!) der antiken Kultur, ihrer Sprachen, ihrer Kunst und Geisteshaltung gekennzeichnet ist, entstand bei vielen Gelehrten der Wunsch, sogenannte Polyglotten, d.h. Bibeln in mehreren Sprachen, zu veröffentlichen. Dabei handelt es sich um einen Parallelabdruck der gesamten Bibel (nicht nur eines Auszugs) im Rahmen einer synoptischen Zusammenstellung eines Bibeltextes in jenen Sprachen, in denen sie ursprünglich verfasst bzw. in die sie früh übersetzt worden ist. Mit der Erfindung des Buchdrucks konnte dieser Wunsch endlich realisiert werden.

Das Vorhaben stellte eine besondere Herausforderung für die Drucker dar, die nicht nur über die Typen oder Lettern all dieser Sprachen, sondern auch über gewisse philologische Kompetenzen im Umgang mit all diesen Sprachen verfügen mussten. Polyglotte Bibeln waren daher immer das Resultat eines komplexen Zusammenspiels von Gelehrten und Druckern. Bedenkt man ferner, dass diese großformatigen Ausgaben in Folio in der Herstellung extrem teuer waren und sich mancher Förderer damit finanziell ruinierte, dann verwundert es nicht, dass im 16. und 17. Jahrhundert nur ein gutes Dutzend Polyglotten hergestellt worden sind. Darunter befinden sich allerdings vier sehr bedeutende und heutzutage extrem kostbare Ausgaben aus Spanien, Frankreich, Belgien und England. Es spricht für die Qualität und den Umfang der Sammlungen der Forschungsbibliothek Gotha, dass sie jede dieser mehrbändigen Ausgaben, wenn auch nicht alle vollständig, bewahrt. Nachfolgend sollen diese Polyglotten kurz vorgestellt werden.

Abb. 1. Prachtvoll gestalteter Einband der Polyglotte aus Antwerpen. FB Gotha, Theol. 2° 1/2 (1).

1. Bei der Polyglotte Complutensis handelt es sich um die erste gedruckte mehrsprachige Bibelausgabe, die die fünf „heiligen“ Sprachen des Alten (AT) und Neuen Testaments (NT) vereinte (Hebräisch, Aramäisch, Griechisch, Chaldäisch und Latein). Das monumentale Werk entstand unter der Aufsicht und mit finanzieller Förderung des Kardinals Francisco Jiménez de Cisneros (1436–1517), der selbst hebräisch und aramäisch gelernt hatte. Er war seit 1484 Franziskaner der Observanz, 1495 wurde er Erzbischof von Toledo und Großkanzler von Kastilien, 1507 schließlich Großinquisitor,  Er hatte um 1498 die Universität von Alcalá de Henares (mit ihrem lateinischen Namen Complutum aus der Römerzeit) in der Nähe von Madrid gegründet. Aus diesen Umfeld rekrutierte er zahlreiche Gelehrte, so die berühmten spanischen Humanisten Antonio de Nebrija (1441/44–1522) und Hernán Núñez de Toledo (1475–1553), aber auch den Theologen Diego López de Zúñiga (um 1479–1531). Sie brachten die entsprechenden Sprachkenntnisse mit und gehörten allesamt dem Herausgebergremium an. Beteiligt waren auch jüdische Konvertiten wie Alfons von Zamora (ca. 1474–1544) und Paul Coronel von Segovia (1480–1534). Es handelt sich also um eine beeindruckende interdisziplinäre Zusammenarbeit von Theologen, Orientalisten und klassischen Philologen, die mit hohem Aufwand alle verfügbaren Quellen für eine wissenschaftliche Edition der Bibel zusammentrugen. Ziel war es, nicht nur den Bibeltext in allen „heiligen“ Sprachen zur Verfügung zu stellen, sondern zugleich auch das Handwerkzeug für das Erlernen der im Mittelalter des westlichen Europas vollkommen unbekannten Sprachen bereitzustellen.

Der Drucker dieser ersten Polyglotte war Arnoldo Guillén de Brocario, der die Bände in den Jahren 1514 bis 1517 herstellte. Die Auflage betrug ca. 600 Exemplare. Die Kosten waren exorbitant. Das vollständige Werk wurde allerdings erst 1520 mit der Erlaubnis von Papst Leo X. veröffentlicht. Als Satzspiegel verwendete der Drucker einen Spaltensatz, der den hebräischen, lateinischen und griechischen Text in Kolumnen nebeneinanderstellte. Diese Polyglotte bietet die ersten gedruckten Ausgaben (editio princeps) sowohl der Septuaginta als auch des griechischen Testaments. Die Herkunft der benutzten Texte ist bis heute nur teilweise bekannt.

Die in den insgesamt sechs Foliobänden zusammengestellten Texte sind: 1. Der Hebräische Text des AT, 2. das sog. Targum Onkelos, die Übersetzung der Tora aus dem Hebräischen ins Aramäische, 3. die Septuaginta (LXX), die griechische Übersetzung des Alten Testaments aus dem Hebräischen durch siebzig Gelehrte im hellenistischen Judentum von ca. 250 v.Chr. bis 100 n. Chr., 4. die Vulgata, die klassische lateinische Übersetzung des AT und NT durch den Hl. Hieronymus (347–420), 5. das griechische NT. Die Texte selbst wurden aufwendig in drei Spalten auf einer Folioseite neben- und untereinander gesetzt. So stand im 1. Mose der hebräische Urtext neben der griechischen, lateinischen und chaldäischen Übersetzung, so dass ein paralleles Lesen möglich war.

Die Gothaer Bände stammen aus der Privatbibliothek des reformierten Predigers Lüder Kulenkamp (1724–1794), der seit 1755 als außerordentlicher und seit 1764 als ordentlicher Professor der Philosophie in Göttingen wirkte. 1787 promovierte er noch zum Doktor der Theologie. Seine gewaltige Büchersammlung mit zahlreichen Handschriften, zeitgenössischen Abschriften, Inkunabeln und fast 9.000 Drucken des 16. bis 18. Jahrhunderts bildete die viertgrößte private Gelehrtenbibliothek Göttingens im 18. Jahrhundert. Sie wurde nach seinem Tod aufgelöst und verkauft. Auf diesem Wege kamen weit über 60 Bände, vor allem aus der Frühzeit des Buchdrucks, in die Herzogliche Bibliothek Gotha, überwiegend lateinische und griechische Klassikerausgaben (vgl. hierzu Pozzo 2014, S. 112f.).

Abb. 2 und 3: Titelblatt und nachgesetzter Kupferstich aus der Polyglotte aus Antwerpen. FB Gotha, Druck 2° 751 (1).

2. Die Polyglotte aus Antwerpen (auch Biblia regia genannt) wurde durch den berühmten Buchdrucker Christoph Platin von 1569 bis 1572 in acht Foliobänden gedruckt. Ihr Mäzen war König Philipp II. von Spanien (1527–1598). Als Hauptherausgeber fungierte der spanische Theologe und Orientalist Benito (Benedictus) Arias Montano (1527–1598), der zehn Sprachen beherrscht haben soll. Die Polyglotte enthält den Bibeltext parallel in den fünf Sprachen Lateinisch, Griechisch, Hebräisch, Altsyrisch und Chaldäisch und bietet damit deutlich mehr als die complutensische Polyglotte. Die linke Folioseite (die Verso-Seiten) umfasst in zwei Spalten den hebräischen Text mit der lateinischen Übersetzung des Hieronymus und darunter den chaldäischen Text. Die rechte Folioseite bietet ebenfalls in zwei Spalten die lateinische Übersetzung der Septuaginta mit dem dazugehörigen griechischen Text und darunter den chaldäischen Text in lateinischer Übersetzung. Die ersten vier Bände enthalten das AT, der fünfte das NT in griechischer und syrischer (als editio princeps) Sprache mit einer lateinischen Übersetzung des französischen Bibelgelehrten und Orientalisten Guy Lefèbvre de la Boderie (1541–1598). Der sechste Band bietet die lateinische Bibel in der Übersetzung des italienischen Dominikaners, Orientalisten und Bibelgelehrten Sante Pagnini (1470–1536). Der siebente Band umfasst philologische Traktate, so u.a. ein hebräisches Lexikon, ein syrisch-chaldäisches Lexikon und eine syrische Grammatik von André Maes (1515–1573), während der achte Band insgesamt 18 Traktate enthält, die eine Art biblische Enzyklopädie mit kritischen Apparaten, archäologischen Beschreibungen des Arias Montano und anderes mehr darstellen.

Die Forschungsbibliothek Gotha besitzt insgesamt zwei vollständige Ausgaben dieser Polyglotte aus unterschiedlichen Provenienzen. Besonders prachtvoll sind drei Einbände mit der Signatur Theol. 2° 1/2 (1, 2 und 4) gestaltet, die ihre Herkunft aus Lothringen sehr deutlich verraten: Der blaugrüne Ledereinband ist mit vergoldeten Streicheisenlinien und sehr reich mit figürlichen kleinen Buckeln aus Messing mit unterschiedlichen Motiven (gekrönter Adler, Rosenblüte, gekröntes Kreuz von Lothringen, Jerusalemkreuz und gekröntes Monogramm CC) besetzt. Auch die umgreifenden Eckbeschläge sind mit Bandwerk, Krone, Jerusalemkreuz und Monogramm punziert. Der zentrale Buckel besteht aus einer ovalen Gussplatte in Form eines Siegels ausgeführt und zeigt das Wappen des Herzogs Karl von Lothringen (1567–1607), der 1578 zum Bischof von Metz, 1592 auch noch zum Bischof von Straßburg ernannt worden war. 1589 wurde er in den Kardinalsstand erhoben. Karl setzte in seinen Diözesen die Reformen des Konzils von Trient um. Die aufwendige Gestaltung der Polyglottenbibel ist in diesem Zusammenhang programmatisch zu verstehen. Die drei Bände gelangten vermutlich durch Vermittlung des Benediktiners Dom Jean-Baptiste Maugérard (1735–1815) unter Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1745–1804) in die Herzogliche Bibliothek nach Gotha.

3. Ursprünglich eine Idee der drei Gelehrten Kardinal Jacques Davy Du Perron (1556–1618), Jacques Auguste de Thou (1553–1617) und François Savary de Brèves (1560–1628) wurde das Projekt einer mehrsprachigen Bibel von dem Parlamentsadvokaten Guy-Michel Le Jay (1588–1674) verwirklicht. Die nun als Polyglotte von Paris bekannte Ausgabe wurde von 1629 bis 1645 in neun Foliobänden herausgegeben und umfasste sieben Sprachen (Hebräisch, Samaritanisch, Chaldäisch, Griechisch, Syrisch, Lateinisch und Arabisch). Sie stützte sich dabei auf die Texte der Complutenser und Antwerpener Polyglotte. Neu hinzugefügt wurden die samaritanischen, syrischen und arabischen Texte. Die Bände 1 bis 4 umfassen das AT wie in den Antwerpener Polyglotte, der 5. Bd. das NT in griechischer, lateinischer, syrischer und arabischer Sprache, die Bände 6 bis 9 das AT in Samaritanisch, Syrisch und Arabisch. Die unvollständige Gothaer Ausgabe ist vor 1799 in den Bestand gekommen. Die Ledereinbände tragen ein bisher nicht identifiziertes Wappen.

Abb. 4 und 5: Eingangstext 1. Mose 1,1–14 in zwölf Texten der Londoner Polyglotte. FB Gotha, Ilf I 2° 193 (1), S. 2 und 3.

4. Die Londoner Polyglotte, veröffentlicht in sechs Foliobänden von 1654 bis 1657, gilt als die wichtigste, wissenschaftlich hochwertigste und jetzt noch verbreitetste Ausgabe dieser Art. „Textkritisch reicher ausgestattet als die Polyglotten von Antwerpen und Paris sollte diese Polyglotte sämtliche wichtigen alten und von den Kirchen gebrauchten biblischen Texte in den besten Ausgaben in einem handlichen und übersichtlich angeordneten Werk zusammen mit Variantensammlungen und relevanten textkritischen Materialien vereinen.“ (Schenker 1997, S. 24). Dieses Ziel wurde vollkommen erreicht. Herausgeber war der britische Theologe und Orientalist Brian Walton (1600–1661), der später zum Bischof von Chester ernannt wurde. Auch er wurde von berühmten Gelehrten in diesem imposanten Projekt unterstützt, darunter Edmund Castell (1606–1686), bekannt vor allem durch Lexicon Heptaglotton Hebraicum, Chaldaicum, Syriacum, Samaritanum, Aethiopicum, Arabicum, et Persicum (London 1669), an dem er fast zwei Jahrzehnte arbeitete, Thomas Greaves (1612–1676) und Edward Pococke (1604–1691), allesamt Orientalisten allerersten Ranges. Das Werk beinhaltet Bibeltexte in neun Sprachen: Hebräisch, Aramäisch, Samaritanisch, Syrisch, Arabisch, Persisch, Altäthiopisch, Griechisch und Latein. Der Drucker war Thomas Roycroft, der auf zwei einander gegenüberliegenden Folioseiten nicht weniger als zwölf Texte abdruckte: So umfasst 1. Mose auf der linken Seite den hebräischen Urtext, die Septuaginta, eine syrische Übersetzung und drei entsprechende lateinische Übersetzungen sowie auf der rechten Seite die Versionen in Chaldäisch, Hebräisch-Samaritanisch, Samaritanisch und Arabisch mit drei lateinischen Übersetzungen. Der erste Band der Ausgabe ist mit mehreren einleitenden Texten versehen, darunter eine ausführliche Beschreibung des Tempels von Jerusalem mit aufwendigen gestalteten Kupferstichen, die nur einseitig bedruckt sind. Die gesamte Ausgabe ist von höchster Qualität.

Die Bände der Gothaer Ausgabe stammen aus dem Königlichen Pädagogicum in Ilfeld. Wann sie dort in den Bestand gekommen sind, lässt sich nicht mehr feststellen. Die Klosterschule Ilfeld wurde 1546 gegründet und erlebte unter dem Humanisten Michael Neander (1525–1595) eine erste Blüte. Im 18. Jahrhundert gelangte sie erneut zu hohem Ansehen und wurde als Kaderschmiede für die 1737 gegründete Georg-August-Universität Göttingen wahrgenommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Gebäude als Krankenhaus der nahen Stadt Nordhausen genutzt. Die Bibliothek der Schule mit dem bedeutenden Altbestand erlitt erhebliche Verluste und kam schließlich in die Forschungsbibliothek Gotha.

Neben den bisher erwähnten Polyglotten gab es auch im deutschsprachigen Raum seit dem 16. Jahrhundert Bemühungen, dergleichen Bibeln zu veröffentlichen. Zu erwähnen ist hier Johann Draconites (um 1494–1566), ein früher Reformator, der 1524 für kurze Zeit Pfarrer in Waltershausen bei Gotha wurde, ehe er eine Professur für Theologie in Marburg übernahm. Er wollte eine Polyglottenbibel (in hebräischer, chaldäischer, griechischer, lateinischer und deutscher Sprache) zum Druck bringen. Zu Lebzeiten erschienen allerdings nur die „Genesis“ (1563) sowie die „Proverbia Salomonis“ (1564) in den erwähnten Sprachen.

Abb. 6: Titelblatt der Ausgabe des Neuen Testaments in zwölf Sprachen aus der Nürnberger Polgylotte. FB Gotha, Theol 2° 2/5 (1).

Noch ambitionierter war die Nürnberger Polgylotte, die der Orientalist, Drucker und Buchhändler Elias Hutter (1553–nach 1605) selbst initiierte und herausgab. Das sechssprachige AT erschien 1599 im Folioformat, blieb allerdings unvollendet. Es enthält in sechs Spalten den hebräischen, chaldäischen, griechischen, lateinischen, deutschen und französischen Text. Das im selben Jahr veröffentlichte NT umfasst sogar zwölf Sprachen, mit jeweils drei Spalten je Folioseite. Dabei umfasst eine Spalte zwei Sprachen, die jeweils Vers für Vers untereinander gesetzt sind. Es bietet auf der linken Seite in der ersten Spalte die syrische Übersetzung, deren noch fehlende Stücke Hutter selbst übersetzte, und darunter die italienische Übersetzung des italienischen Humanisten Antonio Brucioli (1498–1556). In der zweiten Spalte setzte Hutter den hebräischen Text und die spanische Übersetzung des Casiodoro de Reina (1520–1594), in der dritten den griechischen Text und eine französische Übersetzung. Auf der rechten Seite folgen in der vierten Spalte die lateinische Vulgata-Übersetzung, darunter gesetzt die damals übliche englische Übersetzung von 1562, in der fünften die deutsche Luther- und eine dänische Übersetzung und schließlich in der sechsten Spalte eine böhmische und polnische Übersetzung. Aus seiner Vorrede spricht eine tiefe Gläubigkeit und ein frommer Eifer für das Wort Gottes, das stets präsent sein sollte. Man sollte die Bibel nicht nur in verschiedenen Sprachen lesen, sondern diese auch möglichst klar und Wort für Wort miteinander vergleichen, sie in ihrem verschiedenen und doch im Prinzip gleichen Bau erkennen, um sie so umso leichter lernen zu können. Dabei scheute er nicht einmal vor Abänderungen der überlieferten Texte zurück, um eine genauere Wortentsprechung zu erreichen; und da das heilige Hebräisch immer dabei sein musste, übersetzte er selbst das NT in diese Sprache. Für die Gothaer Ausgabe liegen keine besonderen Provenienz-Merkmale vor. Sie trägt den Stempel der Bibliotheca Ducalis Gothana, kam also spätestens im 18. Jahrhundert in den Bestand.

Abb. 7 und 8: Beginn des 2. Kapitels aus dem Matthäusevangelium mit der Weihnachtsgeschichte aus der Nürnberger Polgylotte. FB Gotha, Theol 2° 2/5 (1), S. 8 und 9.

Polyglotte Bibeln erinnern uns daran, mit welcher Gelehrsamkeit die Bibel gelesen werden kann und welche Freude sich hierbei angesichts der Ästhetik einstellt. Sie sind als ein Höhepunkt der Buchgeschichte zu würdigen.

Verfasser: Dr. Sascha Salatowsky, 17. Dezember 2020

Bibliographie:

Quellen:

Polyglotte Complutensis: [Bd. 1] Vetus testamentu[m] multiplici lingua nu[n]c primo impressum. Et imprimus Pentateuchus Hebraico atque Chaldaio idiomate. [Bd. 2-4] Secunda [Tertia, Quarta] pars Veteris testament […]. [Bd. 5] Novum Testamentum grece et latine […]. [Bd. 6] Vocabulum hebraicum atque chaldaicum […]. 6 Bände. Alcalá de Henares: de Brocario, 1514–1520.
FB Gotha, Mon.typ 1514 2° 22 (–27). Online-Ausgabe.
Polyglotte von Antwerpen: Biblia Sacra, Hebraice, Chaldaice, Graece, et Latine. 8 Bände. Antwerpen: Christophe Plantin, 1568–1572. Ausgaben der FB Gotha: Antwerpen 1570–1573.
FB Gotha, Druck 2° 751 (1–7) und Theol 2° 1/2 (1). Online-Ausgabe.
Polyglotte von Paris: Biblia Hebraica, Samaritana, Chaldaica, Graeca, Syrica, Latina, Arabica. Quibus textus originales totius Scripturae sacrae quorum pars in edition Complutensi, deinde in Antverpiensi Regiis sumptibus exstat, nunc integri, ex manuscriptis toto fere orbe quaesitis explaribus, exhibentur. 9 Bände. Paris 1629–1645.
FB Gotha, Theol 2° 1/1 (5,1). Online-Ausgabe.
Polyglotte von London: Biblia Sacra Polyglotta: Complectentia textus originales, Hebraicum, cum Pentateucho Samaritano, Chaldaicum, Graecum, versionumque antiquarum Samaritanae, Graecae LXXII Interp., Chaldaicae, Syriacae, Arabicae, Æthiopicae, Persicae, Vulg. Lat.; quicquid comparari poterat. Opus totum in sex Tomos tributum. Herausgegeben von Brian Walton. London 1655–1657.
FB Gotha, Ilf I 2° 193 (1–6). Online-Ausgabe.
Elias Hutter: Novum Testamentum D[omi]ni: N[ostr]ri: Iesv. Christi. Syriace, Ebraice, Graece, Latine, Germanice, Bohemice, Italice, Hispanice, Gallice, Anglice, Danice, Polonice. Nürnberg 1599 und 1600.
FB Gotha, Theol 2° 2/5 (1). Online-Ausgabe.

Letzter Zugriff bei allen Ausgaben: 17. Dezember 2020.

Literatur:
Eberhard Nestle: Art. Polyglottenbibeln, in: Realenclopädie für protestantische Theologie und Kirche 15 (1904), S. 528–535.
Annette Pozzo: Membra disiecta. Inhalt und Wirkung der Bibliothek des Göttinger Professors Lüder Kulenkamp (1724–1794). Berlin 2014.
Adrian Schenker: Art. Polyglotten, in: Theologische Realenzyklopädie 27 (1997), S. 22–25.
Adrian Schenker: From the First Printed Hebrew, Greek and Latin Bibles to the First Polyglot Bible, the Complutensian Polyglot: 1477–1517, in: Magne Sæbø (Hrsg.): Hebrew Bible, Old Testament. The History of Its Interpretation. Bd. II. From the Renaissance to the Enlightenment. Göttingen 2008, S. 276–291.

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