Vortrag: „Zergliederungen. Die anatomische Renaissance des 16. Jahrhunderts“
Die Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt lädt im Rahmen ihrer Ausstellung „Eine göttliche Kunst. Medizin und Krankheit in der Frühen Neuzeit“ alle Interessierten am Mittwoch, 17. April, zu einem öffentlichen Vortrag von Prof. Dr. Dr. Michael Stolberg ein. Er steht unter dem Titel „Zergliederungen. Die anatomische Renaissance des 16. Jahrhunderts“ und beginnt um 18.15 Uhr im Spiegelsaal auf Schloss Friedenstein in Gotha.
Die Anatomie war für die Entwicklung der frühneuzeitlichen Wissenschaften von überragender Bedeutung. Wie keine andere Disziplin stellte sie die empirische Beobachtung und ganz im Wortsinn, die „Autopsie“, das „Selbst-Schauen“ in den Mittelpunkt, machte sie zur zentralen Grundlage aller Erkenntnis. Seit dem 14. Jahrhundert etablierte sich die Anatomie an den europäischen Universitäten. Im 16. Jahrhundert, als die gelehrten Ärzte selbst zu sezieren begannen, wurde sie zu einer Leitdisziplin. Studenten aus ganz Europa strömten damals nach Padua und andere italienische Universitäten, die für ihren anatomischen Unterricht berühmt waren. Der Vortrag gibt einen Überblick über Formen, Methoden und Inhalte der anatomischen Lehre und Forschung sowie über die Absichten, die die Anatomen verfolgten, vom Lobpreis der göttlichen Schöpfung über die naturalistische Begründung von Geschlechterunterschieden bis hin zur klinischen und chirurgischen Anwendung.
Michael Stolberg studierte Medizin in München und wurde 1986 mit einer medizinhistorischen Arbeit zum Dr. med. promoviert. Nach zwei Jahren ärztlicher Tätigkeit an Münchener Krankenhäusern wandte er sich jedoch zunächst als Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dann als wissenschaftlicher Assistent an der TU München ganz der Medizingeschichte zu. Auf die Habilitation mit einer Studie zur Mentalitäten- und Wissenschaftsgeschichte der Cholera in der Toskana und die Zweitpromotion zum Dr. phil. mit einer Arbeit zur Geschichte von Luftverschmutzung und Umweltkonflikten in der europäischen Frühindustrialisierung folgten Forschungsaufenthalte in Venedig und Cambridge und schließlich die Arbeit in einem Münchner Sonderforschungsbereich. Seit 2004 ist Michael Stolberg Inhaber des Lehrstuhls für Geschichte der Medizin an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Er ist Mitglied der Leopoldina und leitet seit 2009 ein Akademien-Langzeitprojekt zu frühneuzeitlichen ärztlichen Korrespondenzen an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Er ist unter anderem Autor von „Homo patiens. Krankheits- und Körpererfahrung in der Frühen Neuzeit“ (Weimar 2003), „Die Harnschau. Eine Kultur- und Alltagsgeschichte“ (Köln/Weimar 2009) und „Die Geschichte der Palliativmedizin. Medizinische Sterbebegleitung von 1500 bis heute“ (Frankfurt 2011). Im laufenden akademischen Jahr 2018/2019 arbeitet er als Senior Fellow am Historischen Kolleg in München an einem Buch zur gelehrten Medizin und zum ärztlichen Alltag im 16. Jahrhundert.
Vor seinem Vortrag findet um 17 Uhr eine Sonderführung durch die Ausstellung statt. Der Eintritt ist frei; um eine Spende für den Freundeskreis der Forschungsbibliothek Gotha e.V. wird jedoch gebeten. Die Vortragsreihe findet mit Unterstützung des Freundeskreises statt.
Weitere Informationen / Kontakt:
Dr. Sascha Salatowsky
Tel. +49 (0) 361/737-5562
E-Mail: sascha.salatowsky@uni-erfurt.de