Interdisziplinäres Arbeitsgespräch: Bekennen und Bekenntnis im Kontext der Wittenberger Reformation
30. September bis 2. Oktober 2015 | FB Gotha
Veranstalter: Forschungsbibliothek Gotha, Dr. Daniel Gehrt | Sächsische Akademie der Wissenschaften, PD Dr. Stefan Michel
Im Jahrhundert der Reformation wurden im Vergleich zu anderen Epochen der Christentumsgeschichte überdurchschnittlich viele Bekenntnistexte verfasst. Manche von ihnen – wie die Confessio Augustana – stehen in einigen aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen nach wie vor in Geltung. Andere entstanden situativ und gerieten, weil sie nicht ausreichend rezipiert wurden oder sich die historischen Gegebenheiten veränderten, bald wieder aus dem Gebrauch und damit in Vergessenheit.
Das interdisziplinäre Gothaer Arbeitsgespräch möchte nach den Entstehungsbedingungen von Bekenntnistexten im Rahmen der in sich pluralen Wittenberger Reformation fragen. Deshalb sollen nicht nur die Aussagen Martin Luthers, insbesondere sein Bekenntnis vom Abendmahl (1528) oder seine Schmalkaldischen Artikel (1537) in den Blick genommen werden, sondern gerade auch Bekenntnistexte seiner Schüler und Anhänger der zweiten und dritten reformatorischen Generation vorgestellt werden. Diese Schüler sammelten sich verstärkt im mitteldeutschen Raum, wie dem Mansfelder Land oder den Reußischen Herrschaften. Zugleich beteiligten sich die Ernestiner entscheidend an der Fixierung von Bekenntnisaussagen, die dadurch ihre Führungsrolle als die eigentlichen Reformationsfürsten dokumentieren wollten. Durch die Vertreibung von Pfarrern gelangten diese zum Teil extremen lutherischen Gedanken in den habsburgischen Raum und erlebten dort eine konsequente Fortentwicklung.
Angesichts dieser pluralen Verfasstheit wird mit dem Gothaer Arbeitsgespräch ein breiter methodischer Zugang zu den Bekenntnissen der Reformationszeit gesucht, der nicht nur systematisch-theologisch, kirchen- oder theologiehistorisch erfolgt, sondern bewusst auch Aspekte der Repräsentation (Mediengeschichte, Kunstgeschichte) oder Reichsgeschichte berücksichtigt. Über die konfessionellen Grenzen hinweg sollen im Vergleich der einzelnen Texte untereinander, aber auch mit reformierten und römisch-katholischen Traditionen, Unterschiede in der Bekenntnishermeneutik herausgearbeitet und die Rezeption einiger Bekenntnisse bis ins 19. Jahrhundert hinein exemplarisch verfolgt werden. Durch die Dekonstruktion historischer und systematischer Entwicklungen, die zur Identitätsbildung einzelner theologischer Strömungen führten, leistet die Tagung einen Beitrag zur Vorbereitung auf das Reformationsjubiläum von 2017, indem Entwicklungslinien und Wandlungen aufgedeckt werden sollen.
Das Arbeitsgespräch findet in der Forschungsbibliothek Gotha statt, einem Ort, wie er geeigneter kaum sein kann, werden hier doch eine Reihe wichtiger Quellen zur Bekenntnisgeschichte im Original – wie das Bekenntnis der Herzogin Dorothea Susanna von Sachsen (1544-1592) – verwahrt. Einzelne dieser in Gotha vorhandenen Quellen sollen einerseits während einer Führung sowie einer kleinen Kabinettausstellung im Original gezeigt und andererseits in den Vorträgen näher in den Blick genommen werden.
Programm
30. September 2015
14.00 Uhr Begrüßung und Einführung in das Thema
1. BEKENNEN UND BEKENNTNISSE IN EINER ENTSTEHENDEN KONFESSIONSKIRCHE
14.30 Uhr MARCUS SANDL (Zürich): Die Grundhaltung des Bekenners. Mediengeschichtliche Beobachtungen
15.00 Uhr SIEGRID WESTPHAL (Osnabrück): Funktion des Bekenntnisses in reichsrechtlicher Perspektive
15.30 Uhr Diskussion
16.00 UHR Kaffeepause
16.30 Uhr ERNST KOCH (Leipzig): Bekenntnis bei Martin Luther (1528 – 1538 – 1544) und Bekenntnisauffassungen im Kreis der Wittenberger Theologen
17.00 Uhr CHRISTIAN PETERS (Münster): Melanchthon und das Bekenntnis
17.30 Uhr Diskussion
18.15 Uhr Öffentlicher Abendvortrag
MARIA LUCIA WEIGEL (Bretten): Bekenntnisbilder. Bekenntnisse im Bild
1. Oktober 2015
9.15 UHR JAN-ANDREA BERNHARD (Zürich): Reformierte Bekenntnistexte des 16. Jahrhunderts
9.45 UHR PETER WALTER (Freiburg): Das Bekenntnis im römisch-katholischen Kontext
10.15 Uhr Diskussion
2. BEKENNTNISFORMEN IN DER ZWEITEN REFORMATORISCHEN GENERATION
11.00 Uhr DANIEL GEHRT (Gotha): Adlige Bekenntnisse ohne normative Geltung: Joachim von Alvensleben (1566) und Herzogin Dorothea Susannas von Sachsen-Weimar (1575)
11.30 Uhr STEFAN MICHEL (Leipzig): Bekenntnisse theologischer Kreise im Mitteldeutschland: Mansfelder Konfession (1566) und Reußisch-schönburgische Konfession (1567)
12.00 Uhr Diskussion
12.30 Uhr Mittagspause
14.00 Uhr Führung durch die Forschungsbibliothek Gotha mit Besichtigung tagungsrelevanter Quellen
15.30 Uhr Kaffeepause
16.00 Uhr RUDOLF LEEB (Wien): Bekenntnisse in Österreich: Martin Museda (1562) – Christoph Reuter (1562) – Joachim Magdeburgius (1566)
16.30 Uhr ROBERT KOLB (St. Louis, Missouri): Konkordienformel (1577) und -buch (1580). Der Weg zum einem mehrheitsfähigen Konsens
17.00 Uhr Diskussion
3. WIRKUNGEN UND REZEPTION
9.00 Uhr WALTER SPARN (Erlangen): Die dogmatische und die religionspolitische Bedeutung des Bekenntnisses im deutschen Luthertum des 17. Jahrhunderts
9.30 Uhr CHRISTIAN WITT (Wuppertal): Das lutherische Bekenntnis zwischen Verfall und Historisierung im 18. Jahrhudert
10.00 Uhr Diskussion
10.30 Uhr Kaffeepause
10.45 Uhr WERNER KLÄN (Oberursel): Bekenntnisrenaissance im 19. Jahrhundert
11.15 Uhr Diskussion
12.00 Uhr Ende der Tagung
Kontakt
Dr. Sascha Salatowsky
Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha
Forschungsbibliothek Gotha
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Fax +49 (0) 361 737 5539
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