Ein Brief Melanchthons an Myconius über den Umgang mit Täufern

/ Februar 24, 2016

FB Gotha Chart. A 379, Bl. 28r-28av, © Universität Erfurt, Forschungsbibliothek Gotha. Zum Link für das Digitalisat auf das Bild klicken

In den Anfangsjahren der Reformationszeit mussten sich die führenden Reformatoren immer wieder mit anderen, teils radikalen Bewegungen auseinandersetzen. Eine Gruppe, die die Kindertaufe ablehnte und die Taufe auf ein persönliches Bekenntnis als Bedingung zur Aufnahme in die christliche Gemeinschaft forderte, stellten die Täufer dar. Ihr Wirkungskreis ist auch in Westthüringen fassbar. Im ernestinischen Territorium traten Täufer, die aus Franken und Hessen kamen, seit 1526 auf. Unter der Herrschaft von Kurfürst Johann dem Beständigen (1525–32) und in der Amtszeit des Gothaer Superintendenten Friedrich Myconius (1490–1546) wurden am 18. Januar 1530 in Reinhardsbrunn sechs Täufer – vier Frauen und zwei Männer von insgesamt neun in Haft genommenen Personen – hingerichtet. Ein in der Forschungsbibliothek im Original vorliegender Antwortbrief Melanchthons an Myconius bietet Hinweise für die Annahme, dass dieser der Todesstrafe gegen Täufer zunächst ablehnend gegenüberstand. Dieser vorangegangene Brief des Myconius ist nicht überliefert. Melanchthon schrieb ihm Ende Februar 1530, um seine Bedenken bezüglich dieser Bestrafung zu zerstreuen.
Gerahmt von einigen Hinweisen zur Situation Luthers und aktuellen Editionen widmet Melanchthon den gesamten Brief der Frage nach dem richtigen Umgang mit Täufern. Eingangs führt er die Herkunft der Täufer namentlich auf Nikolaus Storch (vor 1500–nach 1536) zurück, einen der „Zwickauer Propheten“, die zu Beginn der 1520er Jahre Kritik an der Kindertaufe übten und die Bedeutung unmittelbarer Gotteserfahrung betonten. An seinem und Thomas Müntzers (ca. 1489–1525) Wirken sei erkennbar, wie zu große Nachsicht im Umgang mit diesen Personen die aufgetretenen Probleme verschärft habe. Indem Melanchthon dabei sein eigenes Verhalten und nachträgliche Reue erwähnt – er hatte Kurfürst Friedrich von Sachsen gebeten, nicht mit Gewalt gegen die „Zwickauer Propheten“ vorzugehen – schlägt er seinem Freund Myconius gegenüber einen persönlichen und eindringlichen Ton an. Als Tatbestand, der die äußerste Strenge der Obrigkeit verlange, definiert Melanchthon dann den Aufruhr gegen die Obrigkeit. Auch Täufer, die keine Verfehlungen begingen, störten mit ihrer Lebensweise die öffentliche Ordnung. Das Strafmaß der Todesstrafe begründet er damit, dass Nachlässigkeit den Aufruhr verstärken könnte und abschreckende Beispiele notwendig seien. Die bis dahin undogmatische, eher politische Argumentation verschiebt sich in den theologischen Bereich, indem Melanchthon den Landesherren auch die Bekämpfung von Blasphemien als Aufgabe zuschreibt. Mit dem Verweis auf dogmatische Streitigkeiten in der Alten Kirche kennzeichnet er die Lehre der Täufer als Irrglaube.
In Melanchthons Argumentation fällt letztlich der Tatbestand des Aufruhrs mit einem von der Obrigkeit nicht gebilligten Glauben ineinander. Es zeigt sich deutlich die Spannung zwischen den Reformatoren, die mit den obrigkeitlichen Strukturen zusammenarbeiteten, und denjenigen, die in unterschiedlichen Bereichen weitergehende Veränderungen anstrebten. Aus welchen Gründen Myconius der Hinrichtung von Täufern kritisch gegenübergestanden haben mag, kann aus Melanchthons Brief nicht rekonstruiert werden. Gleichwohl tritt zu Tage, dass in der Frühzeit der Reformation eine Meinungspluralität unter den Reformatoren bezüglich der Anwendung dieser Bestrafung bestand und welche deutliche Position Melanchthon innerhalb dieser bezieht.
(Text: Karoline Wolfram)

Literatur

Handschrift:
FB Gotha Chart. A 379, f. 28r–av.

Alte Drucke:
Schneegaß, Cyriacus (Hrsg.): LXVI. Selectiores Clarissimi Viri D. Philippi Melanchthonis, ad D. Fridericum Myconium magninominis Theologum conscriptae quondam Epistolae, Jena: Tobias Steinmann, 1596, ep. 26.
Menius, Justus: Der Widdertauffer lere und geheimnis, aus heiliger schrifft widderlegt, Wittenberg: Nickel Schirlentz, 1530.

Kritische Editionen:
Melanchthon Briefwechsel (MBW) Bd. T 1, Nr. 203, S. 429–32.
MBW Bd. T 4/1, Nr. 868, S. 58–62.

Archivakten:
ThHStA Weimar, EGA, Reg. N.

Literatur:
Dingel, Irene; Kress, Christine (Hrsg.): Gottfried Seebaß. Die Reformation und ihre Außenseiter. Gesammelte Aufsätze und Vorträge, Göttingen 1997.
Hill, Kat: Baptism, Brotherhood, and Belief in Reformation Germany. Anabaptism and Lutheranism, 1525–1585, Oxford 2015.
Kobler, Beate: Die Entstehung des negativen Melanchthonbildes. Protestantische Melanchthonkritik bis 1560, Tübingen 2014.
Stayer, James M.; Goertz, Hans-Jürgen: Täufer/Täuferische Gemeinschaften, in: TRE Bd. 32, Berlin 2001, S. 597–623.
Wappler, Paul: Die Stellung Kursachsens und des Landgrafen Philipp von Hessen zur Täuferbewegung, Münster 1910.
Wappler, Paul: Die Täuferbewegung in Thüringen von 1526–1584, hrsg. von der thüringischen historischen Kommission, Jena 1913.

Zur vollständigen Transkription

Share this Post