„Präszision und Wahrheit“ – Georg Forster und seine Bilder der Natur

/ April 20, 2018

Wissenschaftler, Künstler, Revolutionär. Wunderkind, Sprachtalent, Visionär. Weltreisender, Autor, Anti-Reaktionär. Es gibt so viele Bezeichnungen, die auf Georg Forster zutreffen. Und doch können sie das kurze, aber reiche Leben Forsters, sein Werk und Wirken kaum beschreiben. Jemand, der sich schon als Kind einen Namen als Übersetzer gemacht hat, der als Jugendlicher mit James Cook nie zuvor erreichte Teile der Erde bereiste. Jemand, der die erste Republik auf deutschem Boden mit ausrief, der den jungen Alexander von Humboldt beeinflusste und den berühmten Johann Wolfgang von Goethe beeindruckte. So jemand ist nicht einfach in Worte zu fassen, ohne gleich ein ganzes Buch zu füllen. Bleibt an dieser Stelle also nur der Blick auf einen dieser vielen Georg Forsters. Und dieser begleitete im Alter von 17 Jahren zusammen mit seinem Vater James Cooks zweite Weltumsegelung. Gemeinsam entdeckten sie neue Tier- und Pflanzenarten, die sie ausführlich benannten und beschrieben und die der junge Forster mit Präzision zeichnerisch festhielt. Allein das hätte ihm nachhaltigen Ruhm einbringen müssen. Als dieser naturwissenschaftliche Entdecker ist Georg Forster jedoch genauso wenig in unserem kulturellen Gedächtnis verankert wie als politischer Visionär. Denn nach seinem einsamen Tod 1794 mit nur 39 Jahren geriet er schnell wieder in Vergessenheit. Dabei hat er uns gerade als Naturforscher ein so reiches Erbe hinterlassen, das noch heute seine Leistungen lebhaft vor Augen zu führen vermag. Neben seinen Schriften sind das vor allem botanische und zoologische Zeichnungen, von denen das weltweit zweitgrößte Konvolut heute von der Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt bewahrt wird. Eine Reise entlang der Entstehungsgeschichte dieser Sammlung…

„Kaum war das Schiff Endeavour im Jahre 1771 wieder nach England zurückgekommen, als man schon den Entwurf zu einer neuen Reise machte, auf welcher die südlichen Gegenden unsrer Erdkugel weiter erforscht und untersucht werden sollten. Zwey tüchtige, starke Schiffe, die Resolution und die Adventure, wurden […] ausgerüstet, und die Capitäne [James] Cook und Tobias Fourneaux zu Befehlshabern ernannt. Am elften Junius erhielten mein Vater und ich Befehle, diese Reise gleichfalls zu unternehmen, um Gegenstände der Naturgeschichte, zu sammlen, zu beschreiben und zu zeichnen.“ Mit diesen Worten beginnt Georg Forster das erste Kapitel seiner „Reise um die Welt“, bei der er seine Leser mit auf Cooks Expedition auf der Suche nach dem Südkontinent nimmt – eine Schifffahrt, die dem Vater-Sohn-Gespann im Jahr 1772 gerade recht kommt. Getrennt lebend vom Rest der Familie verdienen die Forsters zu dieser Zeit ihren Lebensunterhalt in England mit Übersetzungen von mehrheitlich geografischen Werken, wobei es vor allem die Sprachbegabung des jungen Forster ist, die ihnen einen guten Ruf und das entsprechende Einkommen bringt. Ihren wissenschaftlichen Drang, den der zehnjährige Georg bereits bei einer Reise mit seinem Vater im Auftrag der Zarin Katharina II. zur Erforschung russischer Siedlungsgebiete entdeckte, befriedigt diese Tätigkeit jedoch kaum. Zu ihrem Glück stellt der eigentlich vorgesehene naturwissenschaftliche Begleiter der Cook‘schen Expedition, der Botaniker Joseph Banks, zu große Ansprüche bezüglich seiner Begleitmannschaft und der Unterbringung auf dem sowieso schon überladenen Schiff. Kurzerhand fragt die BritisGeorg Forsterche Admiralität bei Johann Reinhold Forster an, der nicht lange zögert und dessen einzige bescheidene Bedingung, sein zeichnerisch begabter Sohn solle ihn dabei begleiten, akzeptiert wird. Am 13. Juli 1772 legt die „Resolution“ mit ihrem Begleitschiff in Plymouth ab zu einer Reise, die in drei Jahren und 18 Tagen über den Atlantik, das Kap der Guten Hoffnung, weiter über den Indischen Ozean nach Neuseeland, Tahiti und andere polynesische Inseln in der Südsee und wieder zurück über das Kap Hoorn führt. Für Johann und Georg Forster war dabei weniger die Schifffahrt an sich interessant, als die Landgänge, die sie währenddessen unternehmen konnten. Denn während Cook die geopolitischen Bestrebungen Englands verfolgt und der mit zur Crew gehörende Landschaftsmaler William Hodges für das Malen der fremden Landschaften und Menschen zuständig ist, sollen die Forsters Fauna und Flora festhalten – was abgesehen von der massenhaften Begegnung mit Sturmvögeln und Pinguinen auf See vor allem an Land möglich ist. Einmal festen Boden unter den Füßen unternehmen sie also lange Erkundungsspaziergänge, auf denen sie Skizzen und Notizen anfertigen und naturkundliches Material sammeln, um auf dem Schiff weiter damit arbeiten zu können. Dass Cook große geografische Entdeckungen wie Neukaledonien und die Norfolk-Inseln auf der Reise macht, kommt dabei auch den Naturforschern zugute: Die Forsters machen zahlreiche Entdeckungen, die der junge Georg sprachlich und zeichnerisch genau erfasst.

Zu Lebzeiten bleibt ihm der Ruhm dafür jedoch verwehrt, denn kaum legt die „Resolution“ wieder in England an, entbrennt ein gnadenloser Streit um die Veröffentlichungen der Expeditionsergebnisse: Erst ist der alte Forster aus Furcht vor Zensur nicht bereit, James Cook alle auf der Reise entstandenen Notizen zu überlassen. Dann zerschlägt sich der Kompromiss, Cook solle die seemännischen und Forster die naturkundlichen Beschreibungen unter offizieller Flagge veröffentlichen, an den stilistischen Mängeln von Johann Forsters Arbeit einerseits und seiner schwierigen Persönlichkeit andererseits. Der Streit kostet Vater Forster nicht nur eine erhoffte Anstellung und damit die zukünftige finanzielle Absicherung, sondern auch die Möglichkeit, die Mitschriften unter seinem Namen zu publizieren. Anders als sein Vater ist Georg Forster jedoch nicht vertraglich gebunden und so soll er nun seine Reisebeschreibungen herausbringen. In nicht einmal einem Jahr verfasst er aus seinen Notizen und Erinnerungen die „Reise um die Welt“ und begründet mit seiner Art des Schreibens, die zwischen wissenschaftlicher Ambition und subjektiver Faszination changiert, ein neues Genre des Reiseberichts, für den er von Zeitgenossen wie Goethe und Wieland bewundert wird. Im jungen Alexander Humboldt, mit dem er Jahre später als Professor in Kassel eine Europa-Reise unternehmen wird, weckt er Fernweh und Entdeckerdrang. Doch für die Veröffentlichung in Eigenregie müssen die Forsters erst einmal tief in die Tasche greifen und sich immer stärker verschulden – auch weil der englische König George III., für den sie auf Expedition exotische Artefakte zusammentragen, sich nach dem Zerwürfnis weigert, die Sammlung anzukaufen. Zum Ärgernis der Forsters bleiben schließlich auch noch die erhofften Einnahmen aus dem Buchverkauf aus. Denn fast zur gleichen Zeit erscheint auch Cooks nautischer Reisebericht, der dem Forster‘schen Werk zwei Dinge voraushat: die Berühmtheit seines Autors und die prachtvolle Illustration durch die Kupferstiche von William Hodges. Die Forsters brauchen also Geld und sind gezwungen, nun auch Georgs Skizzen zu verkaufen. Aus dieser Notlage heraus wird die Sammlung von Georg Forsters Werken geteilt: Einen großen Teil kauft ihnen Joseph Banks ab, der als leidenschaftlicher Sammler die Werke lange im Verborgenen hortet, bis sie nach seinem Tod an das British Museum übergehen. Ein weiteres Konvolut aus 32 Skizzen lassen Vater und Sohn gleich nach ihrer Rückkehr von einem talentierten Maler nach den genauen Vorgaben Georgs ausführen. Auch sie sind eigentlich für den englischen König gedacht. Doch weder er noch andere potenzielle Käufer zeigen Interesse. Schließlich vermittelt Goethe 1780 die Bilder an Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha und Altenburg mit dem Versprechen, man würde den Fürsten aufgrund ihrer „Präszision und Wahrheit“ darum beneiden. Daraufhin erwirbt Ernst II. die Bildserie zunächst für seine persönliche Bibliothek aus seiner Privatschatulle. 1797 schenkt er sie der Herzoglichen Bibliothek, sodass sie noch heute von der Forschungsbibliothek Gotha auf Schloss Friedenstein bewahrt wird – gemeinsam mit 77 weiteren, noch weitgehend unerforschten Pflanzenskizzen, die Georg Forsters Witwe 1798 an den Gothaer Hof verkauft.

Während seine Reisebeschreibungen Georg Forster zwar nicht den erhofften finanziellen Ertrag bringen, so machen sie ihn dennoch bekannt – eher jedoch als naturwissenschaftlichen Autor, denn als Entdecker. Denn die Beweise dafür schlummern als Sammel- und Kunstgegenstände bei den Käufern. Wären sie frühzeitig wissenschaftlich ausgewertet worden, hätte erkannt werden können, dass er nahezu 200 Entdeckungen zeichnete, darunter über 100 neue Vogelarten. Von den 20 Vogelzeichnungen in der Forschungsbibliothek Gotha beispielsweise sind allein 17 bis dahin noch nicht wissenschaftlich erfasst worden. Doch während Forster Professor für Naturgeschichte in Kassel und Wilna sowie Universitätsbibliothekar in Mainz wird, während er heiratet und Kinder bekommt, während er Präsident des Jakobinerklubs wird und sich mit seiner Sympathie für die Französische Revolution Feinde macht – während seines ganzen kurzen Lebens bleiben seine Bilder lediglich einem kleinen Kreis zugänglich. In der Zwischenzeit reisen andere in die gleichen fernen Regionen und machen mit ihren Entdeckungen die Forster‘schen Funde letztlich hinfällig. Mit einer Ausstellung und einer Tagung möchte die Forschungsbibliothek Gotha nun einen Beitrag zur Aufarbeitung dieses Verlusts wissenschaftlicher Anerkennung leisten.

Abb.: Georg Forster. Glockenhonigfresser. FB Gotha, Memb. I 131, fol. 8r. | Georg Forster, Druck nach dem Porträt von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, um 1785. FB Gotha, Biogr 8° 00909/08

FaunaFloraForster – Georg Forsters Bilder der Natur

Ausstellung:
Dienstag, 24. April bis Sonntag, 3. Juni 2018
Ort: Spiegelsaal, Forschungsbibliothek Gotha, Schloss Friedenstein
Öffnungszeiten: Di –So 10–17

Ausstellungseröffnung:
Montag, 23. April, 18.15 Uhr

Tagung:
… was einem durch diese zwei Oeffnungen der Pupille fällt und die Schwingungen des Gehirns erregt – Die Zeichnungen und das Skizzenbuch Georg Forsters (1754–1794) der Forschungsbibliothek Gotha
Eine wissenschaftliche Tagung der Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt in Kooperation mit Prof. Dr. Martin S. Fischer (Friedrich-Schiller-Universität Jena) und Prof. Dr. Jürgen Goldstein (Universität Koblenz-Landau)
Ort: Herzog-Ernst-Kabinett / Spiegelsaal des Schlosses Friedenstein Gotha
Zeit: 28. Mai bis 30. Mai 2018

Pressemitteilung zur Ausstellung

Share this Post